Verbrenner-Verbot ab 2035: Die Grünen bellen, Christian Lindner zieht weiter

Der Streit um die Verbrenner spaltet die Ampel-Koalition. Während die Grünen toben, unterstützen die Industrie und der Güterverkehr den FDP-Vorstoß für E-Fuels.

Autos stehen in einem Stau.
Autos stehen in einem Stau.Marijan Murat/dpa

Zuerst FDP-Verkehrsminister Volker Wissing und nur Finanzminister und Parteichef Christian Lindner selbst: Die FDP setzt offenbar alles daran, um den kürzlichen Beschluss des EU-Parlaments, ab 2035 keine neuen Verbrenner zuzulassen, zu torpedieren.

Das EU-Parlament hat das Verbot noch im Februar besiegelt, und die EU-Mitglieder müssen diesem noch formell zustimmen. Die Bundesregierung schien sich darüber lange einig zu sein. Doch plötzlich sagt Finanzminister Lindner in einem Interview: „Es ist unser Ziel, dass in Deutschland auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden.“ Sie müssten – als Kompromiss – mit Öko-Sprit, oder E-Fuels genannt, betrieben werden. Ein Verbot lehnt Lindner ab, weil „diese Technologie weltweit weiter eine große Rolle spielen wird“. Das technologische Knowhow müsse in einem Exportland wie Deutschland deshalb erhalten bleiben.

Luisa Neubauer: Autohersteller haben Verbrenner überall abgelehnt

Zuvor hatte Verkehrsminister Wissing mit einem Veto Deutschlands gedroht, weil die EU-Kommission bislang nicht erklärt habe, wie auf klimafreundliche E-Fuels angewiesene Fahrzeuge ab 2035 zugelassen werden könnten. Die Grünen sind allerdings empört. Grünen-Bundesumweltministerin Steffi Lemke beharrt darauf, dass Deutschland dem EU-Beschluss zustimmt. Man sollte verlässlich agieren und sich an getroffene Zusagen halten, sagte Lemke der Süddeutschen Zeitung.

Ihr Parteikollege Anton Hofreiter fordert ein Machtwort von Bundeskanzler Scholz, der sich „im Interesse der Arbeitsplätze und des Klimaschutzes mit aller Kraft“ für das Verbot einsetzen müsse. Die deutsche Sprecherin der Fridays for Future, Luisa Neubauer, kanzelt ihrerseits Lindners Argumentation ab: Sie würde sich freuen, schrieb sie auf Twitter, wenn „wir uns dann 2035 bei 40 Grad im Schatten, Lieferengpässen und Wasserrationierungen“ über Technologien freuen würden, die „schon 2023 von Autoherstellern überall abgelehnt wurden“.

In der Tat lehnen die Autohersteller das Verbrenner-Verbot ab

Doch stimmt das? Selbst wenn die deutsche Automobilindustrie die Produktion von E-Autos massiv ausbaut, lehnt sie das Verbrenner-Verbot ab. Der Verband der Automobilindustrie (VDA), der die Interessen deutscher Autobauer vertritt, kritisiert den Beschluss des EU-Parlaments vom 14. Februar als „eine Entscheidung gegen eine technologieoffene und innovationsfreundliche Verbraucher- und Industriepolitik“. Der Beschluss ignoriere den immer noch mehr als mangelhaften Auf- und Ausbau der europäischen Ladeinfrastruktur, kommentiert die VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Der VDA unterstützt damit indirekt den FDP-Vorstoß. In der neusten Erklärung wiederholt der Verband die Forderung des FDP-Verkehrsministers Wissing nach einem EU-Regelungsvorschlag für E-Fuels. E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, die ausschließlich mit erneuerbaren Energien erzeugt werden, wären eine wichtige Ergänzung zur Elektromobilität, betont die Verbandspräsidentin Müller. Die Bundesregierung sieht der VDA aufgefordert, „sich in Brüssel mit einer starken und einheitlichen Stimme für alle Technologien einzusetzen, die einen Beitrag zu den Klimazielen leisten können“.

ADAC: Elektromotor wird absehbar dominieren, aber …

Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC), Europas größte Verkehrsgemeinschaft, positioniert sich ebenfalls gegen das Verbrenner-Verbot. Für den ADAC sei es klar erkennbar, dass der Elektromotor absehbar der dominierende Antrieb für neue Pkw sein werde, teilt der Sprecher Andreas Hölzel auf Anfrage der Berliner Zeitung mit. Also bedürfe es keines Verbrenner-Verbots 2035. „Für bestimmte Marktsegmente können Verbrenner mit E-Fuels eine relevante Option bleiben, die möglicherweise teurer als Elektromobilität sein wird, aber mit dem Klimaschutzzielen vereinbar sind“, sagt der ADAC-Sprecher.

Bisher darf synthetischer Sprit in Deutschland nur den anderen Kraftstoffen beigemischt werden. Doch vor kurzem scheint sich die Ampel-Koalition nach Angaben der FDP auch darauf geeinigt haben, dass es künftig E-Fuels auch in Reinform an Tankstellen zu kaufen geben sollte. Damit könnten Verbrennermotoren alternativ betrieben werden. Wie bei jeder Neuheit, dürfte das Tanken mit synthetischem Sprit am Anfang teurer sein, als mit Strom oder fossilen Kraftstoffen. Im Laufe der Zeit sollte sich der alternative Sprit aber verbilligen. Die Interessengemeinschaft E-Fuels-Allianz verspricht etwa, dass Benzin 2025 mit E-Fuels-Beimischung zwischen 1,34 und 1,36 Euro und pures E-Benzin 2050 zwischen 1,45 und 2,24 Euro kosten werde.

Bundesverband für Güterverkehr: „Was uns nur etwas erstaunt …“

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stärkt daher der Lindner-Partei in ihrem Verstoß den Rücken. „Die FDP legt hier den Finger in die Wunde“, kommentiert der BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt auf Anfrage der Berliner Zeitung. „Ohne CO2-freie synthetische und biogene Kraftstoffe werden wir die Transportanforderungen von Bevölkerung und Wirtschaft bis 2050 nicht bewältigen können.“

Im EU-Güterverkehr gilt zwar noch kein Verbrenner-Verbot. Die aktuelle Vorgabe sieht eine CO2-Reduktion bis 2040 um 90 Prozent voraus. Ein Verbrenner-Verbot für die Lkws wäre auch nicht sinnvoll, so Dirk Engelhardt, weil etwa die Feuerwehr auch dann ausrücken können müsse, wenn mal kein Strom da sei. Ob es dann genügend CO2-freie Verbrenner-Kraftstoffe geben werde, regele im Zweifelsfall der Markt, so der BGL-Vorstandssprecher.

„Was uns nur etwas erstaunt, ist, dass die Frage nach ausreichender mengenmäßiger Verfügbarkeit bei den CO2-freien Verbrenner-Kraftstoffen gestellt wird, nicht aber beim Strom“, kritisiert Dirk Engelhardt weiter. „Denn nach wie vor ist es doch vollkommen ungeklärt, wo der ganze (grüne!) Strom herkommen soll, der für die Elektrifizierung des Straßenverkehrs zwingend erforderlich sein wird.“ Allein um den Straßenverkehr CO2-frei zu elektrifizieren, benötigt man nach einer BGL-Berechnung weitere rund 190.000 Windkraftanalagen – mehr als das 6-fache des jetzigen Bestands – oder wahlweise 60 Atomkraftwerke. Ob es selbst für die E-Autos genügend Strom geben wird, bleibt also offen.

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