Weniger heizen, mehr kühlen: Warum der Klimawandel keine Energie spart

Berlin - Da hatten wir alle gedacht, dass der Klimawandel wenigstens in einer Hinsicht etwas Gutes bringt: nämlich, dass wir weniger Energie verbrauchen. Das haut auch auf der einen Seite hin. Nämlich beim Heizen. Wir alle spüren es an der Heizkostenrechnung. Die milden Winter bescheren uns seit zwei, drei Jahren eine finanzielle Entlastung, weil die Thermostate kaum noch richtig hochgedreht werden müssen. Das könnte doch die Umwelt schonen und vielleicht sogar ein bisschen den Klimawandel abmildern - leider geht diese Rechnung nicht auf.

„Was wir durch den Klimawandel an Heizenergie einsparen, schlägt auf der anderen Seite als zusätzlich benötigte Kühlenergie zu Buche“, sagt Bärbel Höhn, Bundestagsabgeordnete der Grünen. Aus der Antwort einer Anfrage ihrer Faktion geht hervor, dass hierzulande jedes Jahr 100.000 neue Klimaanlagen installiert werden, so das Umweltministerium. Wir müssen mehr kühlen – angesichts von mehr als 30 Grad noch Mitte September.

Aus dem Ressort von Barbara Hendricks (SPD) wird zudem schriftlich mitgeteilt, dass der Energieverbrauch in den vergangenen elf Jahren bei industriellen Klimaanlagen um mehr als ein Drittel gestiegen ist. Um sage und schreibe 131 Prozent mehr Strom wurde in der Kategorie Anlagen „in den Bereichen Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Sonstiges“ benötigt. „Dies lässt auf eine Zunahme der installierten Kälteleistung pro Anlage schließen“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Büros mit großen Glasfronten müssen heruntergekühlt werden. In modernen Privatwohnungen werden immer mehr Klimaanlagen installiert und selbst in vielen kleineren Boutiquen ist es Mode geworden, die Raumtemperatur auf gar nicht mehr kuschelige 16 oder 17 Grad herunter zuschrauben.

Unerfreuliche Perspektiven

Und die Perspektiven sind nicht unbedingt erfreulich. Die Aussagen der Ecodesign-Studie der EU ließen für Deutschland „insbesondere Steigerungsraten bei der Neuinstallation im Wohnbereich und bei Bürogebäuden erwarten“, heißt es. Was tun? Höhn sieht den schwarzen Peter bei der Bundesregierung. Die habe es versäumt, die Gebäudesanierung voran zu bringen und Impulse für die Integration von Strom, Wärme und Kühlung zu geben. Die Sanierung des Gebäudebestandes kommt tatsächlich seit Jahren nicht in die Gänge. Wärmedämmung könnte aber in zwei Richtungen wirken, kann auch dafür sorgen, dass sich im Sommer Innenräume weniger stark aufheizen, vor allem wenn moderne Fenster mit Wärmeschutzglas installiert werden. 

Mehr Kühlen liegt noch ein einer anderen Hinsicht im Trend. In den Haushalten stehen immer größere Kühlgeräte, auch das geht aus der Grünen-Anfrage hervor. Lag das Durchschnittsvolumen in der EU 1990 noch bei 203 Liter, so wurden im vorigen Jahr schon 278 Liter erreicht. Die EU-Kommission schätzt, dass in vier Jahren sogar knapp 300 Liter erreicht werden. Vor allem die wuchtigen, mehr als mannshohen Kühl-Gefrierkombinationen sind angesagt. Die werden zwar effizienter, da sie aber auch immer größer werden, geht der Stromverbrauch laut Anfrageantwort nicht zurück. Für Peter Meiwald, Bundestagsabgeordneter der Grünen, ist hier ein so genannter Reboundeffekt am Werk.

Das heißt: Die Verbraucher sind der Ansicht, dass sie sich etwas Größeres gönnen können, da die Geräte immer sparsamer werden. Doch letztlich tut sich bei der Energiebilanz gar nichts. Meiwald vermutet, dass die Kennzeichnung der Geräte nach Effizienzklassen hier zusätzlich auf den falschen Weg führt. Denn der Energieverbrauch wird dabei in Relation zur Größe bewertet.  Deshalb ist es für sehr große Geräte relativ einfach, gute Noten zu bekommen.  Meiwald schlägt deshalb vor:  „Um den Reboundeffekt zu vermeiden, sollte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass für Effizienzlabels absolute Grenzwerte festlegt werden."