Werkverträge: Enorme Einbußen für Angestellte
Wenn man Martin Schwärzel richtig versteht, dann zerlegt sich sein Arbeitgeber seit Jahren selbst. Und zwar mit voller Absicht. Mehr als zehn Tochtergesellschaften hat der Klinikkonzern, in dem Schwärzel Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, im Lauf der vergangenen 14 Jahre gegründet, um Aufgabenbereiche auszulagern und auf diese Weise Millionen einzusparen. Als Mittel zum Zweck dienen Werkverträge, die der Mutterkonzern mit seinen Tochterfirmen abgeschlossen hat.
Eigene Geschellschaft für die Hausverwaltung
Schwärzel ist am Donnerstag auf Einladung des DGB nach Berlin gekommen, um die problematischen Ausformungen des deutschen Werkvertragswesens am Beispiel „seines“ Krankenhauses zu erläutern. Dort seien bis auf den Kernbereich – den Pflegedienst und ärztliche Leistungen – mittlerweile so gut wie alle Tätigkeiten in Tochterfirmen organisiert. Es gebe beispielsweise eigene Gesellschaften für Hausverwaltung, Krankentransporte, Gebäudereinigung, Labortätigkeiten, Sozialdienste, Physiotherapie, Gastronomie, radiologische Untersuchungen, Logistik und technische Dienstleistungen. „Bevor unser Krankenhaus 2002 von meinen jetzigen Arbeitgeber übernommen wurde, gehörten all diese Bereiche zu einem Unternehmen mit einer Belegschaft und einem Betriebsrat“, sagt Schwärzel, der aus rechtlichen Gründen zwar seinen eigenen Namen, nicht aber den seines Arbeitgebers nennen kann.
Andauernde Nullrunden
Die Aufsplitterung in Tochterfirmen habe gravierende Folgen für die Beschäftigten. So seien die zum Zeitpunkt der Auslagerungen noch gültigen Tarifverträge von den Tochterfirmen zwar übernommen worden. Nachfolgende Tarifabschlüsse hätten aber keine Berücksichtigung mehr gefunden. „Dadurch hat es für diese Kolleginnen und Kollegen seit vielen Jahren keine Lohnerhöhungen mehr gegeben“, sagt Schwärzel. Dass dies für die Beschäftigten enorme Einbußen bedeutet, zeigen Daten des statistischen Bundesamts: Danach stiegen die Bruttolöhne zwischen 2002 und 2014 im Schnitt um fast 2,3 Prozent pro Jahr. Demgegenüber summieren sich andauernde Nullrunden in diesem Zeitraum auf ein Minus von rund 30 Prozent.
Neu eingestellten Belegschaftsmitgliedern geht es laut Schwärzel nicht viel besser: Sie würden nach schlechter dotierten Tarifverträgen wie etwa für Gebäudereiniger vergolten oder erhielten tarifvertragsunabhängige Arbeitsverträge. Im Durchschnitt verdienten die Beschäftigten der Konzerntöchter etwa zwei Euro pro Stunde weniger als Stammbeschäftigte nach dem Verdi-Tarifvertrag. Zudem seien die Arbeitsverhältnisse sämtlich befristet. Dies und die Aufteilung der Belegschaft in viele kleinere Einheiten machten es schwer bis unmöglich, wirksame Arbeitnehmervertretungen zu bilden. Neben den niedrigeren Lohnkosten und Ruhe an der Betriebsratsfront hätten die Tochtergesellschaften fiskalische Vorteile für den Gesamtkonzern, da die Mehrwertsteuer entfalle.
Fester Kriterienkatalog
Nach Ansicht von DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach belegen Schwärzels Schilderungen eindrücklich, wie notwendig eine gesetzliche Klarstellung ist: „Reguläre Werkverträge sind unerlässlich, wenn Unternehmen sich bei anderen Unternehmen Leistungen einkaufen, die sie selbst nicht erbringen können, weil ihnen die Expertise fehlt. Werkverträge sind aber nicht dazu gedacht, mit Hilfe von Tochterfirmen Tarifverträge und Mitbestimmungsrechte auszuhebeln und Löhne zu drücken.“ Daher sei ein gesetzlich festgelegter Kriterienkatalog zur Abgrenzung statthafter und missbräuchlicher Werkverträge dringend geboten: „Das liegt auch im Interesse der Arbeitgeber, die mit dem Gesetz vor Schmutzkonkurrenz geschützt werden.“