Wie entsteht Geruch?: Zu Gast im Duftlabor von Henkel

Krefeld - Sauber riecht nach Chlor. Zumindest in Südeuropa. Mit einem Allzweckreiniger, der nach Blumenwiese duftet, braucht man Spaniern und Italienern erst gar nicht zu kommen. Für die meisten deutschen Verbraucher wäre dagegen scharfer Chlorgeruch ein Grund, das Mittel nicht zu kaufen: Sie mögen es blumiger, gerne mit Zitrone – und zu Weihnachten auch mal Zimt, Apfel oder Orange. Solche regionalen Vorlieben sind für einen Konsumgüterkonzern wie Henkel eine echte Herausforderung. Zumal das deutsche Unternehmen aufs Geschäft im Ausland setzt. 2016 will der Konzern die Hälfte des geplanten Umsatzes von 20 Milliarden Euro in Wachstumsmärkten erzielen.

250 Marken gehören zu Henkel, darunter Klassiker wie Persil. Die meisten Produktdüfte entwickelt der Konzern selbst in seinem Duftcenter in Krefeld, in dem 70 Mitarbeiter beschäftigt sind. Fünf Parfümeure kreieren dort ständig neue Parfümöle. Sie werden dann auch auf dem rund 20 000 Quadratmeter großen Gelände produziert und an die 40 Henkel-Werke in der Welt verschickt. Immerhin 8 000 Tonnen jedes Jahr.

1 300 Parfümöl-Fläschchen

Viel Aufwand mit großer Wirkung, denn die Düfte machen einen großen Teil des Verkauferfolges aus. Mindestens ebenso wichtig für die Kaufentscheidung ist neben der Reinigungswirkung der Duft. „Das ist hochemotional“, sagt Henkel-Duftchefin Anneliese Wilsch-Irrgang. „Viele Produkte sprechen über den Duft zu uns. Deshalb ist es so wichtig, dass der Duft von Produkten stimmt.“

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Mit derselben Leidenschaft wie für Waschmittel werden in Krefeld Düfte für WC-Produkte entwickelt – auch wenn das nicht gerade die Produkte sind, die die fünf festangestellten Parfümeure zuerst nennen, wenn sie nach ihrer Lieblingskreation gefragt werden. Das ist auch bei Hubert Smyrek, 46, nicht anders, der als Chemielaborant bei Henkel anfing und dann zum Parfümeur ausgebildet wurde. Er hat den Duft des Flüssigwaschmittels Spee entwickelt. Je kleiner das Produkt, desto schwieriger wird es, sagt er. In einen kleinen WC-Stein so viel Duft zu stecken, dass ein ganzer Raum davon erfüllt ist, sei handwerklich schon sehr herausfordernd, sagt Smyrek.

Den größten Teil seiner Arbeitszeit verbringt der Parfümeur nicht an der Duftorgel, wie das Regal mit den rund 1 300 Parfümöl-Fläschchen genannt wird. Der Computer ist inzwischen sein zentrales Werkzeug. Die Düfte entstehen in seinem Kopf, er braucht sie nicht zu riechen, um zu wissen, was passiert, wenn er bestimmte ätherische Öle und synthetische Riechstoffe kombiniert. Auf der Duftorgel spielt nur hin und wieder, um seine Nase an ein Öl zu erinnern.

Hat Smyrek eine Idee, entwickelt er dazu eine chemische Formel aus den benötigten Einzelbe-standteilen über ein spezielles Computerprogramm. Die fertige Formel schickt er dann an die Mischabteilung, wo das Parfüm fast vollautomatisch zusammengestellt wird. Ein bisschen unromantisch, aber effektiv. In speziellen Labors wird dann das Ergebnis getestet: Wie riecht das Waschmittel in der Packung? Wie auf feuchter Wäsche nach dem Waschen? Wie riecht der Duft auf trockener Wäsche? Wie nach mehreren Stunden oder Tagen im Kleiderschrank? Das alles wird akribisch protokolliert – mancher Hoffnungsduft fällt da schon durch. Das letzte Wort, ob ein Duft eingesetzt wird, haben aber die Produktentwickler und die Marketing-Experten. Das gleiche gilt für Putzmittel oder WC-Steine. In Krefeld gibt es sieben gläserne Toilettenkabinen, in denen Reiniger-Düfte analysiert werden.

Geruch des Zeitgeistes

Die Parfümeure entwickeln nicht nur neue Düfte – auch wenn sie das am liebsten machen – immer wieder müssen Düfte bekannter Marken aufgefrischt werden, weil sich der Zeitgeist verändert. Die Parfümeure beobachten ständig den Markt, analysieren auch normale Parfüms, die gerade auf den Markt kommen. „Aktuell etwa sind wieder mehr orientalische Düfte im Trend und Blumendüfte“, sagt Smyrek. Das schlage sich dann irgendwann auch in Wasch- und Reinigungsmitteln nieder. Häufig gibt die Marketingabteilung für einen neuen Weichspüler bestimmte Themen vor wie etwa „Frühlingserwachen“ oder „Geheimnis der Entspannung“.

In den 50er und 60er Jahren dominierten klassische blumige Düfte wie Rose, Flieder und Maiglöckchen, aber auch sogenannte Chypre-Noten – eher holzig-blumige Gerüche. Später verschwand Chypre als Duftcharakter, die blumigen Düfte wurden in den 70er, 80er und 90er Jahren sehr süßlich.

Mitunter ändern sich auch Düfte, weil Rohstoffe nicht mehr eingesetzt werden können oder dürfen – aus Umweltschutzgründen. Mit der Entwicklung phosphatfreier Waschmittel etwa änderte sich die gesamte Rezeptur der Waschmittel, so dass auch die Parfümierung an die neuen Rohstoffe angepasst werden musste. Zunehmend wurden auch Enzyme eingesetzt, um die Waschleistung zu verbessern. Enzyme haben nach Henkel-Angaben oft einen Eigengeruch, den die Parfümierung des Produktes überdecken muss.

Mitunter besuchen die Parfümeure auch Haushalte in Ländern, für die etwa ein Reiniger entwickelt werden soll, holen sich dort einen „olfaktorischen Gesamteindruck“ und schauen sich Konkurrenzprodukte an. Vieles, was mit Duft zu tun habe, sei kulturell geprägt – der Hang zu dezenten Düften in Nordeuropa etwa, aber auch in Japan, wo man eng zusammenlebt. Dort, wo die Umgebungsgerüche – auch unangenehme – stark sind, muss der Duft stärker sein. Der persönliche Geschmack steht dabei hintan. Ungewöhnlich fand Smyrek auf einer Privatreise beispielsweise, dass in Kolumbien Reiniger mit Zimtgeruch beliebt sind. Bei einem Produkt aber sind starke Veränderungen tabu: Persil. Daran tasten sich die Parfümeure nur mit äußerster Vorsicht heran – wenn überhaupt.