Der mittlerweile insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard hat noch Mitte Juni eine große Expansion geplant. Unmittelbar vor dem Zerwürfnis mit seinen Wirtschaftsprüfern und der folgenden Insolvenz arbeitete der Zahlungsdienstleister noch an einer eigenen Banklizenz in den USA. Das berichtetet das Wirtschaftsmagazin Capital unter Berufung auf Insider. Im Bundesstaat Utah gab es bereits das Tochterunternehmen WDB US Inc. Für den Lizenzantrag habe nur noch der testierte Jahresabschluss gefehlt, eine Pressemitteilung sei vorbereitet gewesen, heißt es. Doch genau dieses Testat verweigerte EY am 18. Juni wegen fehlender Nachweise über Guthaben in Milliardenhöhe.
Vermutlich gab es das Geld in dieser Form nie, Wirecard rutschte in die Insolvenz. Der ehemalige CEO Markus Braun sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, sein Vorstandskollege, der Chef des Asiengeschäfts Jan Marsalek, ist auf der Flucht.
Eine eigene Banklizenz in den USA hätte es Wirecard ermöglicht, Zahlungen des US-Geschäfts ohne einen Bank-Partner abzuwickeln. Darüber hinaus wollte das deutsche Unternehmen mit der Lizenz auch als Partner von Fintech-Firmen auftreten und Kredite vergeben. Ein ähnliches Geschäft betreibt die Wirecard Bank in Europa - es gilt als zukunftsweisend. 2016 hatte Wirecard in den USA das Prepaid-Kartengeschäft der Bank Citigroup gekauft. Auf diesem Weg sei möglicherweise Geld gewaschen worden, sagt allerdings die Investorin Fahmi Quadir, die seit Jahren auf fallende Aktienkurse bei Wirecard gesetzt hatte. Zum Zeitpunkt, als Wirecard den Ausbau des US-Geschäfts plante, ermittelte bereits die Staatsanwaltschaft München. Gegen Vorstände oder Aufsichtsräte von Wirecard liefen vor der Mitteilung von EY, dass 1,9 Mrd. Euro in der Bilanz fehlen, zwei Ermittlungsverfahren, wie aus einer Übersicht der bayerischen Staatsregierung hervorgeht, wie Capital berichtet. Bei einem der Verfahren ging es um den Verdacht des Betrugs, bei einem weiteren um Untreue. Aktuell laufen bei den Staatsanwaltschaften in Bayern demnach insgesamt 71 Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche von Wirecard. Bei 67 geht es um den Verdacht des Betrugs und bei jeweils zwei weiteren um Untreue und unrichtige Darstellung in Bilanzen, wie die Staatsregierung auf eine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Helmut Kaltenhauser mitteilte.
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EY teilte unterdessen mit, das Unternehmen arbeite intensiv mit den Behörden zusammen. Unabhängig von der laufenden Reformdiskussion habe EY bereits „Anforderungen an die Abschlussprüfung formuliert und deren Einführung innerhalb der Organisation veranlasst, die über die derzeitigen professionellen Standards hinausgehen“. Dazu gehören ein verstärkter Einsatz von Datenanalysen zur Aufdeckung von möglichen Betrugsfällen, die Weiterentwicklung der Risikobewertung unter Verwendung weiterer externer Daten und Social Media; sowie eine erweiterte forensische Fortbildung die Prüfer. (BLZ, mit dpa)