Zeitarbeit Arbeitsmarkt: Leiharbeiter um gerechten Lohn gebracht

Eigentlich müssten Leiharbeiter in der Metall-Industrie ab diesem Monat deutlich mehr Geld bekommen. Der neue Tarifvertrag sieht je nach Einsatzzeit Branchenzuschläge von 15 bis 50 Prozent vor. Doch nun erhebt die IG Metall schwere Vorwürfe gegen die Unternehmen: „Viele Verleihfirmen versuchen, die neuen Branchenzuschläge zu umgehen“, sagt IG-Metall-Justiziar Thomas Klebe dieser Zeitung. „Auf Leiharbeiter wird Druck ausgeübt, ihre Arbeitsverträge zu ändern, um Lohnkosten zu sparen.“ Auch der Arbeitgeberverband BAP zeigt sich besorgt und appelliert an die Firmen, den neuen Tarifvertrag einzuhalten.

Mit den neuen Branchenzuschlägen soll die Kluft zwischen den Gehältern der Leiharbeiter und der Festangestellten in der Metallindustrie verringert werden. Damit sollte ein jahrelanger Streit über die Bezahlung von Zeitkräften endlich beendet werden. Doch von Betriebsfrieden kann derzeit vielerorts keine Rede sein.

Neuer Vertrag aufgezwungen

Beispiel Köln: Die dortige IG Metall hat in den vergangenen Wochen etliche Versammlungen mit Leiharbeitern veranstaltet, erzählt der örtliche Gewerkschaftschef Dr. Witich Rossmann. Insgesamt hätten 950 Beschäftigte an den Treffen teilgenommen. Was die Leihkräfte berichteten, war alles andere als erfreulich: „Aus nahezu allen Verleihbetrieben bekommen wir jetzt mitgeteilt, dass die Mitarbeiter unter häufig unwürdigen, repressiven Bedingungen gezwungen werden, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben“, heißt es in einem Brandbrief der Kölner IG Metall an die Gewerkschaftszentrale in Frankfurt.

Der wesentliche Inhalt der neuen Verträge: Alle Bestandteile des Entgelts, die nicht zum Grundlohn gehören, würden zu übertariflichen Zuschlägen erklärt. Die Folge: Die Beschäftigten erhalten am Ende allenfalls ein bisschen mehr Geld. Denn übertarifliche Zahlungen können mit den neuen Branchenzuschlägen verrechnet werden. Angerechnet würden auch Leistungen wie Erschwerniszulagen, bei denen dies eindeutig nicht zulässig sei, so Rossmann.

Manche Leiharbeiter seien in die Personalabteilung einbestellt und aufgefordert worden, die Änderungen sofort zu unterschreiben, sagt Rossmann dieser Zeitung. Viele hätten dies getan. Der Druck ist groß. Etliche Einsatzbetriebe trennen sich zurzeit von ihren Zeitkräften, das Risiko, seinen Job zu verlieren, wächst.

Mogelei kein Einzelfall

Der zweite Trick funktioniert ähnlich: „In den allermeisten Versammlungen wurden wir mit falschen Eingruppierungen der Leiharbeiter konfrontiert“, heißt es in dem Schreiben der Kölner IG Metall. Schon bislang wurden viele Leihkräfte zu niedrig eingruppiert, erhielten aber tatsächlich ein höheres Gehalt. Nun können die Firmen behaupten, ein Teil des Lohns sei eine freiwillige Leistung und werde deshalb mit den Branchenzuschlägen verrechnet.

Die Kölner Erfahrungen sind keine Einzelfälle. „Aus allen Bezirken wird uns Ähnliches berichtet“, sagt IG-Metall-Justiziar Klebe. Seine Gewerkschaft werde die Mogeleien jedenfalls nicht hinnehmen. Die Betriebsräte in den Einsatz-Unternehmen würden jetzt drauf drängen, dass die höheren Gehälter tatsächlich gezahlt werden.

In Richtung Zeitarbeiter verspricht Klebe: „Wer zu schlecht bezahlt wird und klagt, bekommt von uns Rechtsschutz.“ Auch die Arbeitgeberverbände müssten auf ihre Mitgliedsunternehmen einwirken, damit sie sich an die Tarifregeln halten. Wie viele Leihkräfte von den Branchenzuschlägen nichts zu sehen bekommen, kann die IG Metall noch nicht beziffern.

Leiharbeiter ohne Tarifvertrag winkt Gehalt von Festangestellten

Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) betont, dass alle wussten, dass der neue Tarifvertrag Leiharbeit verteuert. „Ich kann nur eindringlich an die Branche appellieren, den Tarifvertrag einzuhalten“, sagt BAP-Vizepräsident Thomas Bäumer. Die Zeitarbeit habe eben erst ihr Image verbessert, jetzt dürfe ihr Ruf nicht schon wieder beschädigt werden. Andernfalls sei die Zukunft der Branche gefährdet: „Wenn wir das Flexibilitäts-Instrument aufrechterhalten wollen, müssen wir uns an die Spielregeln mit den Sozialpartnern halten.“

BAP-Vizepräsident Bäumer sagt, er hoffe, dass der Tarifvertrag nur in Einzelfällen missachtet werde. Und warnt: Wer den Tarifvertrag missachte, laufe Gefahr, seinen Beschäftigten am Ende noch mehr zahlen zu müssen, nämlich so viel wie Festangestellten. Laut Gesetz dürfen Leiharbeiter nur dann weniger erhalten, wenn für sie ein Tarifvertrag gilt.