Zwangsarbeit: Eigentum Mensch
1956 verpflichteten sich die Vereinten Nationen in einem Abkommen, weltweit für die Abschaffung der Sklaverei einzutreten. 25 Jahre später verbot Mauretanien als letztes Land der Erde die Sklaverei per Gesetz. Im Jahr 2008 stellte der US-Autor E. Benjamin Skinner in seinem Buch „Sklaverei im 21. Jahrhundert“ die These auf, dass trotz der globalen Ächtung mehr Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen lebten als je zuvor. Am 20. Mai 2014 veröffentlicht die Internationale Arbeitsorganisation ILO einen Bericht, demzufolge 21 Millionen Kinder, Frauen und Männer heute als Sklaven gehalten werden. Das entspricht der Gesamtbevölkerung von Nordrhein-Westfalen und Berlin.
Wer ist von Sklaverei besonders betroffen?
Mehr als die Hälfte der versklavten Menschen sind Mädchen und Frauen. Sie arbeiten vorwiegend als Haushaltshilfen oder werden zur Prostitution gezwungen. Jungen und Männer kommen dagegen vorwiegend in der Landwirtschaft und in Fabriken zum Einsatz. Schlechte Ausbildung und nackte materielle Not sind die wichtigsten Faktoren, die Menschen zu Leibeigenen werden lassen. Daher sind auch Kinder stark gefährdet. Allein in Haiti, wo der Menschenhandel offiziell 1806 abgeschafft wurde, leben bis zu 500 000 Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen. Auch in Brasilien, Indien und schwarzafrikanischen Staaten ist Sklaverei verbreitet. Jedes Jahr werden nach Angaben der Umweltorganisation RESET rund zwei Millionen Menschen wie Waren ge- und verkauft.
Wo werden Sklaven eingesetzt?
Neben der Zwangsprostitution ist Zwangsarbeit die häufigste Erscheinungsform moderner Sklaverei. Hinzu kommen Arbeiter, die oft in einer Art Schuldknechtschaft gefangen sind, etwa Gastarbeiter in Katar und anderen Golfemiraten, aber auch in illegalen Fabriken Europas. Viele dieser Menschen gelten offiziell nicht als Sklaven, sind faktisch aber rechtlos. Das zeigt: Die Grenzen und Übergänge sind fließend.
Welche Wirtschaftszweige profitieren am meisten?
Den Daten zufolge erbringen Sklaven weltweit auf Baustellen, in Bergwerken und Fabriken Arbeitsleistungen im Wert von 34 Milliarden US-Dollar. In der Landwirtschaft kommen auf die gleiche Weise neun Milliarden zusammen, in Privathaushalten sind es acht Milliarden. Dabei erweisen sich Sklaven gerade in den Ländern mit hohem Lohnniveau als besonders profitabel: Laut ILO bringt jedes Opfer von Sklaverei in entwickelten Ländern einen Gegenwert von fast 35.000 Dollar pro Jahr, in Lateinamerika sind es lediglich 7500 und in Afrika sogar nur 3900 Dollar.
Wie hoch sind die Gewinne?
Nach Schätzung der ILO bringt die Sklaverei den Nutznießern jährlich 150 Milliarden US-Dollar. Mit fast 100 Milliarden Dollar ist sexuelle Ausbeutung der einträglichste „Geschäftszweig“. Das zeigen auch die ILO-Daten zu den pro Kopf erwirtschafteten Profiten: Im Durchschnitt verdient der Sklavenhalter an jeder Zwangsprostituierten knapp 22.000 Dollar pro Jahr. Zwangsarbeit außerhalb von Privathaushalten ist mit 4800 Dollar schon deutlich weniger lohnend, in der Landwirtschaft erreicht der Profit im Schnitt 2500, in Privathaushalten 2300 Dollar pro Kopf und Jahr.
Wo fallen die Profite an?
Mit knapp 52 Milliarden Dollar liegt der asiatisch-pazifische Raum vorn. Dann aber folgen bereits die entwickelten Industrieländer, darunter die EU-Staaten und Nordamerika, mit einem Gesamtgewinn in Höhe von 47 Milliarden Dollar. In Südosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist Sklaverei 18 Milliarden Dollar wert, Afrika folgt mit 13, Lateinamerika mit zwölf und der Mittlere Osten mit acht Milliarden Dollar.
Welche Maßnahmen schlägt die ILO vor, um Sklaverei auszumerzen?
Während staatlich verantwortete Zwangsarbeit laut ILO allmählich zurückgedrängt werden konnte, seien Menschen in armen Weltregionen weiterhin von Versklavung durch Kriminelle in der Privatwirtschaft bedroht. Um die Verwundbarkeit der potenziellen Opfer zu verringern, fordert die den UN angeschlossene Organisation soziale und ökonomische Absicherungssysteme zu installieren, um plötzlich eintretende Einkommensverluste auffangen zu können. Zudem müsse verstärkt in Schulen, Berufsbildung und Universitäten investiert werden. Arbeitnehmern ohne formale Qualifikation sollten Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten. Gewerkschaften und andere Arbeitnehmerorganisationen seien zu stärken.
Gleiches gelte für die Rechte von Migranten, die auf der Suche nach bezahlter Beschäftigung oft besonders gefährdet seien, Opfer von Zwangsarbeit zu werden. Um dies zu erreichen, müsse die Zusammenarbeit mit den Regierungen der von Sklaverei betroffenen Staaten intensiviert werden. Wie bessere Schulen, mehr Weiterbildung und soziale Sicherungssysteme in armen Regionen finanziert werden sollen, sagt die ILO nicht.