Auster, Miesmuschel und Vongole: Die wirklich besten Rezepte für Muschelgerichte

Die Auster gilt als Speise der Schönen und Reichen. Miesmuscheln isst man mit Pommes, Venusmuscheln mit Spaghetti. Sechs Rezepte zum Verlieben.

Das Symbol für das schöne Leben: Austern schlürfen. Heute isst man vornehmlich pazifische Felsenaustern, in der Renaissance gab es nur europäische Flachaustern.
Das Symbol für das schöne Leben: Austern schlürfen. Heute isst man vornehmlich pazifische Felsenaustern, in der Renaissance gab es nur europäische Flachaustern.Imago

Berlin-Essen Sie keine Muscheln, außer in Monaten mit „r“. Sie könnten sonst sterben! Da ist in der Tat ein kleines Fünkchen Wahrheit dran. Viele glauben ja, dass das mit der Kühlkette zu tun hat, die es früher nicht gab. Heute aber schon. Daher sei diese alte Bauernregel heute obsolet. Aber das stimmt gar nicht, denn die Regel gibt es aus einem anderen Grund, und sie hat immer noch Bestand.

Aber sorgen Sie sich nicht, denn nur wenn Sie Muscheln selber fischten oder direkt vom Kutter kaufen, bestünde die Gefahr, nach dem Essen, vielleicht davon krank zu werden oder gar nach Walhalla überzusetzen. Der Grund: die Algenblüte. Von Algen ernähren sich Muscheln nämlich mitunter, und während ihrer Blüte in den Sommermonaten enthalten die Muscheln dann teilweise das Gift der Algen. Es reichert sich in den Muscheln an. Obacht also!

Sollten Sie aber frische Muscheln im Supermarkt oder bei einem ausgewählten Einzelhändler kaufen, dann langen Sie ruhig zu. Meeresfrüchte werden in Europa strengstens kontrolliert, bevor sie in den Handel kommen. Ihre Qualität ist in den kalten R-Monaten jedoch tatsächlich besser, denn von Mai bis August ist die Laichzeit des Meeresgetiers, und in dieser Zeit ist das Fleisch von minderer Qualität. Stichwort: Schwangere Auster!

Kann man nicht essen und ist schon mal eingestürzt: die Schwangere Auster am Spreeufer.
Kann man nicht essen und ist schon mal eingestürzt: die Schwangere Auster am Spreeufer.Imago

Austern sind nicht jedermanns Sache

Wir haben aber März, und dieser dritte Monat des Jahres hat ein R. Und das Wasser in Atlantik, Nordsee und Mittelmeer ist auch noch richtig zapfig. Das ist besonders gut, wenn man schmackhafte Muscheln essen möchte. Bevor wir also bald in die frische Frühlingsküche mit all ihrem bunten Gemüse eintauchen, genießen Sie jetzt die letzten Muscheln der Saison!

Wie wäre es also mit Austern? Die werden von vielen verschmäht – nachvollziehbar, denn die schlotzigen Tierchen zu verschlingen, ist nicht jedermanns Sache. Til Schweiger etwa hasst Austern nicht nur wegen ihres „fischigen“ Geschmacks, sondern auch, weil ihn die Austern-Gier „der Mutter seiner Töchter“ ein Vermögen gekostet habe.

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Dennoch sind sie bei Gourmets sehr beliebt. Fritz Wepper, Lothar Matthäus (mit Ketchup und Tabasco), sie alle schwören auf die Muschel. Bekannt ist vor allem die Sylter Royal, tatsächlich die einzige heimische Auster. Wir lieben vor allem Bélon-Austern. Das sind keine pazifischen Felsenaustern wie die bekannten Gillardeau oder Fine de Claire, sondern europäische aus der Bélon-Mündung.

Das ist der Geschmack der Renaissance, denn sie schmecken am ausgewogensten und sind fleischiger, also weniger schlotzig als die restlichen Vertreter der Gattung. Ein gefälliger Anfang für Neueinsteiger. Gute gibt es bei der Austern-Bar Volk in der Brunnenstraße. Später geben wir Ihnen noch drei Rezepte dazu, die auch Zweifler auf den Geschmack bringen sollten.

Die Rolex locker am Handgelenk und draußen parkt der Mercedes 500SL, so schön war's in der alten BRD: In der Münchener Galeria-Kaufhof-Filiale trafen sich 2005 Anwälte, Zahnärzte und Prominente, um gemeinsam Meeresfrüchte zu genießen. Immer dabei: die Auster.
Die Rolex locker am Handgelenk und draußen parkt der Mercedes 500SL, so schön war's in der alten BRD: In der Münchener Galeria-Kaufhof-Filiale trafen sich 2005 Anwälte, Zahnärzte und Prominente, um gemeinsam Meeresfrüchte zu genießen. Immer dabei: die Auster.Imago

Jakobsmuscheln sind prima Grillgut

Gefälliger als Austern sind Jakobsmuscheln. Wenn möglich, essen Sie handgetauchte Ware aus Skandinavien. So ist der Fang nachhaltig und verhältnismäßig lokal. Sind diese Muscheln frisch, kann man sie wunderbar roh verzehren. Aber vor allem knusprig angebraten und mit schaumiger Butter, Thymian und ein wenig Piment d'Espelette napiert sind sie ein wahrer Hochgenuss. Das weiße Muschelfleisch aus den kräftigen Schalen zu befreien, ist denkbar einfach. Es gibt eine nahezu unendliche Vielzahl an Videos dazu online. Trauen Sie sich!

Deutlich einfacher noch sind Miesmuscheln. Jeder kennt sie, vor allem aus dem Urlaub im südlichen Europa. Belgien und die französische Mittelmeerküste funktionieren nicht ohne Moules-frites, also gedämpften Muscheln mit knusprigen Fritten. Profis lassen sich die heißen und sehr knusprigen Fritten übrigens zeitversetzt bringen. Fragen Sie danach! Bekommen Sie vom Kellner ein verständnisvolles Nicken, sind Sie am richtigen Ort. Diese Muscheln gibt es quasi weltweit, sie leben hauptsächlich in den Gezeitenbereichen der Meere. Wie einfach sie zubereitbar sind, zeigen wir Ihnen später mit zwei ganz klassischen und simplen Gerichten.

Dann gibt es da noch die kleineren Herzmuscheln, auch Venusmuscheln genannt. Diese Muscheln sind herzförmig, wie der Name schon sagt. Ihre Schale hat radialförmige Rillen, woran man sie wunderbar erkennt. Sie sind deutlich kleiner als so manche Miesmuschel, dafür ist der Geschmack sehr konzentriert. Sie leben meistens auf steinigen Böden, ernähren sich dort von Plankton und schmecken auch danach. Ein wunderbarer, frischer und jodhaltiger Geschmack. Hierzu gibt es ein Rezept für eine meiner Leibspeisen: Herzmuscheln mit Spaghetti (al bianco!).

Stabmuscheln auf Tuchfühlung: Wohin geht die Reise? Zurück ins Meer oder direkt in die Pfanne?
Stabmuscheln auf Tuchfühlung: Wohin geht die Reise? Zurück ins Meer oder direkt in die Pfanne?Imago

Rezept: Stabmuscheln, wie ich sie mag

Abschließend in unserm kleinen Exkurs die Stabmuschel, genau genommen die Schwertförmige Scheidemuschel. Im Englischen heißt sie Razor Clam. Warum? Weil, zieht man ein kleines Häutchen ab, erhält man eine rasiermesserscharfe natürliche Klinge.  Auch diese Muschel schmeckt intensiv nach Meer. Sie lebt vertikal im Sand. Bei Ebbe lässt man Salz auf den Meeresboden im Watt rieseln, und schon kommen die langen Körper der Muscheln an die Oberfläche geschossen. Dann kann man sie einfach einsammeln. Man findet sie in Deutschland selten im Handel, aber wenn Sie die Chance haben, dann schlagen Sie unbedingt zu.

Zutaten: 1 Bund Stabmuscheln, Knoblauch, Olivenöl, Petersilie, Zitronenabrieb, Salz, Pfeffer.

Zubereitung: Diese Muscheln öffnet man einfach der Länge nach mit einem Messer, spült sie ab, und dann auf den Grill damit. Mit etwas Marinade aus Olivenöl, Petersilie, Knoblauch und Zitronenabrieb eine fantastisch einfache Speise. Dazu einfach ein frisches Baguette und natürlich reichlich gutgekühlten Weißwein oder, fast noch besser, ein Glas Bier. Mehr braucht es nicht!

Kommen wir aber nun zurück zu den Austern. Der von mir sehr geschätzte Koch Johannes King serviert die rohen Austern mit feinen kleinen Würfeln (Brunoise in der Küchensprache) aus Granny-Smith-Apfel und Staudensellerie. Dazu vielleicht ein Spritzer grünes Tabasco und gehackter Dill, ein Traum.


Rezept: Rockefeller-Austern

Zutaten: Austern, frische grüne Kräuter (was gefällt), Butter, Semmelbrösel, Salz, Pfeffer

Zubereitung: Wem die rohen Austern suspekt sind, dem empfehlen wir Rockefeller-Austern. Hier kommt auf die Austern eine Garnitur aus frischen grünen Kräutern, Semmelbröseln und viel Butter (Sie wissen ja!). Anschließend wird alles gratiniert, also im Ofen bei Oberhitze gebacken. Die Brotkrumen werden schön knusprig, und es entsteht ein geniales Aroma- und Konsistenzspiel. Gar sind die Muscheln dann auch. So fällt den Zweiflern der Einstieg etwas leichter. Das Rezept stammt übrigens aus New Orleans und wurde aus der Not heraus geboren. Es gab nicht ausreichend Weinbergschnecken, da griff man einfach zu Austern. Namensgeber ist tatsächlich John D. Rockefeller, damals der reichste Mann der Welt.


Rezept: Miesmuscheln mit Pimentón

Zutaten: Miesmuscheln, Pimentón de la Vera

Zubereitung: Waschen Sie die Muscheln ordentlich und entfernen sie die sogenannten Bärte. Das sind kleine algenartige Fäden, die aus der Muschel kommen. Die gewaschenen Muscheln kommen nun in einen großen Topf. Obenauf ordentlich Pimentón de la Vera, wer mag, scharf, wer mag, süßlich. Nun den Deckel drauf und ab auf den Herd. Es braucht keine Flüssigkeit. Die Muscheln werden sich in der „Sauna“ langsam öffnen und geben genügend Flüssigkeit ab, die sie dann entsprechend dämpft. Das dauert gut fünf Minuten. Prüfen Sie regelmäßig, ob die Muscheln sich alle geöffnet haben und gar sind. Und, ich vermute, das wissen Sie schon: nur die Muscheln essen, die offen sind!


Moules-frites nach Art der Benelux-Staaten

Zutaten: Miesmuscheln, Zwiebel, Sellerie, Lauch, Karotte, Olivenöl, Pernod, Kartoffeln, Rindernierenfett, Salz, Pfeffer

Zubereitung: Eine ähnliche Variante, etwas französischer, geht so: Schwitzen sie in wenig Olivenöl etwas fein gewürfeltes Mirepoix an (Zwiebel, Sellerie, Lauch, Karotte). Löschen Sie es nach knapp drei Minuten mit einem kräftigen Schuss Pernod ab. Nun die gewaschenen Muscheln darauf, und dann mit einem Deckel kochen. Wie lange? Na bis sie fertig sind! Dazu Pommes. Schön zweimal in Gänse- oder Rindernierenfett ausgebacken. Natürlich zeitversetzt serviert. Wir sind ja Profis!


Spaghetti alle vongole al bianco

Zutaten: Venusmuscheln, Spaghetti, Weißwein, Olivenöl, Peperoni, Petersilie, Knoblauch, Salz, Pfeffer

Zubereitung: Jetzt zu einer meiner Leibspeisen: Spaghetti mit Herzmuschel, und zwar al bianco, also ohne Tomatensauce, dafür mit reichlich Weißwein. Neben den Spaghetti und Muscheln benötigen wir Olivenöl, etwas Peperoni, ordentlich frische Petersilie, Knoblauch und einen italienischen Wein (für den authentischen Geschmack greifen wir auch mal zu Weinen jenseits unserer geliebten Süßweine von Mosel und Co.). Dieses Gericht geht schnell, man benötigt die Kochzeit der Pasta, um die Sauce zu machen. Kochen Sie also zuerst die Pasta in Salzwasser.

Nun geben wir reichlich Olivenöl in eine Pfanne und gleich Knoblauch und Peperoni hinzu, so ähnlich wie bei meiner Pasta aglio e olio. Dann kommen auch schon die Muscheln. Profis nehmen die Muscheln raus, wenn sie sich geöffnet haben, denn die Garzeit ist sehr, sehr kurz. Man kann sie also zur Seite legen und zum Ende dann wieder hinzugeben.

Aber weiter im Prozess: Löschen Sie nun mit reichlich Weißwein ab. Dann lassen wir alles einkochen. Ist die Pasta fast fertig, wandert sie direkt rüber in die Pfanne. Sie wird dann in der Sauce zu Ende gekocht. Ist alles fertig, kommt die fein gehackte Petersilie dazu und, wenn Sie sie beiseite gelegt haben, die Muscheln. Haben Sie alles richtig gemacht, dann ist die Pasta von einer samtigen Flüssigkeit ummantelt.

Übrigens: Auch hier können Sie mit einem kleinen Schuss Pernod arbeiten, der hebt das Aroma der Muscheln ganz fantastisch. Oder fein geriebene Bottarga. Womit Sie allerdings nicht ankommen dürfen, ist Parmesan. Wer nämlich Parmesan auf diese Pasta gibt, der spielt mit seinem Leben. Mittlerweile nicht mehr nur in Italien!


Muss man natürlich nicht roh essen, sondern darf man auch pürieren: Austern.
Muss man natürlich nicht roh essen, sondern darf man auch pürieren: Austern.Imago

Risotto mit Austern für richtig Fortgeschrittene (und Könige)

Zutaten für 2 Personen: 200 g Risotto-Reis, 6 Austern, 1 Handvoll Queller (Salicornia), 1 Schalotte, 1 Knoblauchzehe, 500 ml Gemüsebrühe, Parmesan, Butter, Leinöl, 1 Zitrone

Zubereitung: Bereiten Sie wie immer alles gut vor. Halten Sie die Brühe warm auf dem Herd. Wäre sie kalt, würde man den Kochvorgang des Risottos beim Auffüllen immer wieder unterbrechen. Profis, und das sind Sie ja, haben die Brühe daher warm auf dem Herd. Schneiden Sie die Schalotte und den Knoblauch in Brunoise (millimeterkleine Würfelchen). Reiben Sie ordentlich Parmesan vor und stellen Sie ausreichend Butter (am besten gewürfelt) bereit.

Zu Beginn öffnen wir die Austern. Passen Sie dabei bitte auf! Fangen Sie das Austernwasser auf, wir benötigen es später. Nun pochieren wir zwei Austern. Legen Sie zwei der geöffneten Austern (mit Schale) in einen Topf, dessen Boden mit etwas Wasser bedeckt ist. Das Wasser sollte unterhalb des Schalenrands bleiben. Deckel drauf und dann kurz aufkochen und 5 Minuten mit Deckel ziehen lassen. Der Dampf gart die Austern. Fertig!

Die restlichen Austern kommen mit dem Austernwasser in ein Gefäß und werden mit einem Zauberstab püriert. Diese Flüssigkeit gibt man am besten noch einmal durch ein Sieb, so stellt man sicher, dass keine Austernschalen dabei sind.

Jetzt können wir mit dem Risotto beginnen. Schwitzen Sie die feinen Schalottenwürfel in etwas Öl an, bei mittlerer Temperatur, bis sie glasig werden. Dann den Reis dazu. Ebenfalls etwas anschwitzen. Nun löschen wir das erste Mal mit Brühe ab. Wir lassen sie immer runterkochen und geben dann wieder neue dazu. Dabei immer gut rühren, damit das Risotto schön „schlotzig“ wird. Der Prozess wiederholt sich solange, bis die Reiskörner gar sind. Am besten immer wieder probieren. (Generell ein Spitzentipp für die Küche: Kochen muss kein Zufall sein, probieren Sie also immer fleißig!)

Ist der Reis gar, geben wir die Austernpampe dazu und reichlich Parmesan und Butter. Das Risotto muss schön sämig sein und nicht zu trocken, justieren Sie also mit etwas Brühe nach. Ist das Risotto fertig, sautieren wir (das heißt: kurz und heiß anbraten) noch Queller in heißer Butter mit etwas gehacktem Knoblauch.

Dann wird angerichtet: Geben Sie das Risotto auf einen Teller, obenauf die pochierte Auster (wieder mit Schale, sieht spektakulär aus!). Drumherum die sautierten Queller. Dann einige Spritzer des Leinöls. Der grasige Geschmack dieses Öls komplettiert das Geschmacksbild. Und es sieht megamäßig nach Sterneküche aus, wenn da so ein paar Spritzer Öl sind. Abschließend etwas Abrieb von der Zitrone (am besten mit einer Microplane machen, ganz wichtiges Küchenutensil!). Die Zitrone gibt der ganzen Sache etwas Frische und Leichtigkeit. Dazu sollten Sie einen satten Chardonnay trinken. Wenn Sie es sich leisten wollen, natürlich einen echten Montrachet aus dem Burgund.

Felix Hanika: Gelernter Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist.
Felix Hanika: Gelernter Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist.Felix Hanika

Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung schreibt er regelmäßig über seine Lieblingsrezepte.


Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.