Brief des ukrainischen Außenministers an die Deutschen: Ihr habt zu wenig getan
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat einen Brief an die Deutschen verfasst: Er bedankt sich, erhebt aber zugleich schwere Vorwürfe.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza vom 8. März 2022 einen Brief veröffentlicht, in dem er den Deutschen schwere Vorwürfe macht. Der Brief trägt den Titel: „Ist der Preis dafür, jemandem in Deutschland die Augen zu öffnen, dass jemand anderes sie in der Ukraine für immer schließen muss?“ In dem Schreiben kritisiert der ukrainische Außenminister die abwartende Haltung der deutschen Politik und sagt, dass Deutschland nicht erkenne, dass Putin nach seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu noch weiteren Kriegen bereit sei.
„Wir haben Euch gewarnt, dass Putin ein Übel ist, das die Welt seit 80 Jahren nicht mehr gesehen hat. Wir haben Euch gebeten, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und eine Katastrophe zu verhindern. Ihr habt uns nicht geglaubt und betont, wie wichtig der Dialog mit Putin ist. Uns Ukrainer kann er anlügen, aber euch Deutsche nicht...“
Dann heißt es weiter: „Jetzt habt ihr endlich eure Fehler zugegeben. Jetzt liefert ihr uns Waffen, ihr stoppt die russische Gaspipeline und ihr unterstützt Sanktionen gegen Russland, die ersten wirklich ernsthaften. Warum konnte man das nicht gleich tun, als es noch nicht zu spät war? Mussten wir wirklich warten, bis die ukrainischen Kinder an Dehydrierung und Luftangriffen sterben? Ich bitte Euch: Öffnet die Augen! Es besteht kein Zweifel, dass Hitler ein großes Übel war. Aber ein solches Ausmaß an Hass, Zerstörung und Leid, wie es Putin jetzt verursacht, haben die Ukraine und Europa im Allgemeinen seit den 1940er Jahren nicht mehr erlebt. Deutschland sollte jetzt besser als jedes andere Land wissen, dass in einer solchen Situation jede Stunde der Verzögerung und des Zweifels Leben kostet und die Katastrophe vergrößert.“
Der ukrainische Außenminister plädiert vor allem dafür, dass Deutschland sich entschließt, noch mehr militärische Hilfe zu leisten: „Die Ukraine braucht Hilfe. Gebt uns mehr Waffen, damit wir uns verteidigen können. Helft uns, unseren Himmel zu schützen. Helft uns, Kampfflugzeuge zu bekommen. Gebt uns leistungsfähigere Panzerabwehr-, Flugabwehr- und Raketenabwehrwaffen. Verhängt noch härtere Sanktionen gegen Russland: Verbietet den Handel mit russischen Energieträgern, schließt die Sberbank aus dem SWIFT-Zahlungssystem aus, friert die Korrespondenzkonten russischer Banken und Unternehmen ein und verbietet die Einfahrt russischer Schiffe in europäische Häfen. Die Ukraine braucht anhaltenden Druck unserer Partner auf Russland, einschließlich der Forderung, dass das Land Kriegsverbrechen einstellt und die Schaffung humanitärer Korridore zur Rettung von Zivilisten zulässt.“
Abschließend schreibt er: „Wir sind dankbar für die Entscheidungen, die in diesen zwei Wochen getroffen wurden. Wir können sehen, dass Deutschland seinen Ansatz geändert hat. Deutschland hat viele schwierige Schritte unternommen, wenn auch tragischerweise zu spät. Doch Putin lässt nicht locker. Unschuldige ukrainische Männer, Frauen und Kinder sterben weiterhin. Es müssen mehr Entscheidungen getroffen werden. Und vor allem müssen diese Entscheidungen proaktiv sein und sofort getroffen werden. Hört endlich auf die Ukraine und handelt, solange sie uns nicht alle umgebracht haben und solange Putin noch gestoppt werden kann! Wir müssen diesen Barbaren aufhalten, damit er nicht ganz Europa zerstört. Ihr denkt vielleicht, dass ihr bereits eine Heldentat vollbracht habt, indem ihr einige wichtige Entscheidungen getroffen habt. Doch die Wahrheit ist: Während Menschen in Europa, in der Ukraine sterben, habt ihr zu wenig getan.“