Neue Staffel von „Der Pass“: Soziopath mit Babyflaum
Alpic noir vom Feinsten: Zwei an Leib und Seele versehrte Ermittler auf der Suche nach einem grausamen Frauenmörder.

Die Trapp-Familie wohnt hier nicht: In der Serie „Der Pass“ sind die Berge rund um Salzburg schroff und schwarz, die Wälder sind dunkel und bedrohlich, und kein Sonnenstrahl dringt je durch das kalte Dauergrau, das alles schluckt und auch die Geister und Gemüter einhüllt. Vor drei Jahren spukte der Krampus-Killer durch diese trostlose Gegend und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck: Mit Komplexität, Schmäh und einer Abgründigkeit in jedem Sinn des Wortes gehörte „Der Pass“ zum Besten, was man im deutschsprachigen Krimifernsehen bis dahin gesehen hatte.
Auch den Ermittlern hängt der Fall von damals noch schwer nach: Dem dauergrantigen Österreicher Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) steckt noch eine Kugel im Kopf, weshalb er offiziell „a Kiberer im Krankenstand“ ist. Und seine bayerische Kollegin Ellie Stocker (Julia Jentsch) ist vom Showdown mit dem Krampus-Killer dermaßen traumatisiert, dass sie bei Verhören in Tränen ausbricht und auch mal mit ihrer Dienstwaffe auf einen Kollegen anlegt. „Mir ham alle unsere Gspenster. Dös is normal“, sagt der Winter an einer Stelle, und dass es nur ein Mittel gebe, sie zu vertreiben.
Das Schlimmste passiert
Die Möglichkeit, sich den bösen Geistern zu stellen, kommt schneller, als den beiden lieb ist: Die Leiche einer 18-jährigen deutschen Touristin wird im Grenzgebiet bei Salzburg gefunden, grausam zugerichtet, sie wurde offenbar über Tage gefoltert. Zunächst übernimmt die junge, überehrgeizige Polizistin Yella Antic (Franziska von Harsdorf) den Fall, und sie heuert Winter inoffiziell als Berater an. Nach zwei weiteren Leichen steigt auch Stocker in den Fall ein, über den der Zuschauer, wie schon in der ersten Staffel, viel mehr weiß als die Ermittler – aber bei weitem nicht alles, was sich spätestens ab Folge vier zu nicht abreißender Hochspannung steigert, zumal der Zuschauer bald die Erfahrung macht, dass das Schlimmste jederzeit nicht nur passieren kann, sondern es das auch tut.
Es entblättert sich ein Psychodrama um Schuld, Verrat und um das Verbrechen an sich – ist es erst einmal in der Welt, pflanzt es sich immer weiter fort. Zu allem Grusel wird das Ganze immer wieder auch aus der Sicht des Täters erzählt, einem Soziopathen mit Babyflaum, der sich, wenn er nicht gerade seinen Jagd-Fetisch auslebt, virtuos am Konzertflügel zu schaffen macht – und dem Dominic Marcus Singer eine beinahe Peter Lorre’sche Creepiness verleiht. Der Krampus-Killer hat einen würdigen Nachfolger.
Wertung: 5 von 5 Punkten
Der Pass, Serie, zwei Staffeln, ab 21. Januar bei Sky
Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.