Analyse von HateAid bestätigt Sexismus im Wahlkampf
Der Bundestagswahlkampf war für Politikerinnen ungleich erniedrigender, wie eine Recherche von HateAid bestätigt. Für die Demokratie ist das gefährlich.

Berlin-Der vergangene Bundestagswahlkampf war besonders für Frauen nicht fair. Eine aktuelle Recherche, die HateAid, eine gemeinnützige Beratungsstelle für Betroffene digitaler Gewalt, gemeinsam mit ISD Germany am Mittwoch veröffentlicht hat, hat ergeben, dass besonders Politikerinnen Ziel digitaler Angriffe wurden. Konkret wurde das Ausmaß möglicher Hasskommentare von 60 Kandidierenden mit einem öffentlichen Twitter-Profil im Monat der Wahl untersucht.
Von potenziell beleidigenden Aussagen und gruppenbezogenen Beleidigungen –also frauenfeindlichen oder rassistischen Kommentaren – besonders betroffen waren Saskia Esken (SPD), Sahra Wagenknecht (Die Linke) sowie Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen). Auffällig dabei: Die Grüne Göring-Eckardt bekam sogar mehr frauenfeindliche und rassistische als potenziell verletzende Kommentare. In der qualitativen Analyse konnte außerdem festgestellt werden, dass die Angriffe sich selten gegen die Grünen-Politikerin persönlich richteten, sondern allgemein gegen Geflüchtete oder muslimische Menschen. SPD-Chefin Esken erhielt besonders viele sexistische Beleidigungen, die sich unter anderem auch auf ihr Aussehen bezogen, oder Kommentare wie „Frauen gehören in die Küche“. Allen drei Frauen wurden in hasserfüllten Kommentaren außerdem ihre Kompetenz abgesprochen.
Die Analyse von HateAid und ISD Germany zeigt außerdem, wie strategisch digitale Gewalt mittlerweile als politische Waffe eingesetzt wird. In einem Shitstorm gegen die Grünen-Politikerin Ricarda Lang im Juni 2021 wurde beispielsweise mindestens jeder fünfte Tweet aus einem rechten oder rechtsextremen Netzwerk abgeschickt. Der Onlinehass außerdem durch diese radikalisierte Minderheit immer wieder neu entfacht, so am Leben erhalten.
Für Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich äußern, ist digitale Gewalt allgegenwärtig. Frauen, die politisch aktiv sind, werden besonders zur Zielscheibe. Für den demokratischen Diskurs, für die Demokratie wird das zunehmend zum Problem, wenn sie sich – aus Angst – zurückziehen.
Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.