Dortmunder „Tatort“: Liebeshorror mit Ausrufezeichen

Selten wurde den Kommissaren so viel aufgebürdet, kaum ein Finale schockierte derart: Diesen „Tatort“ sollte man nicht verpassen.

Als Konzept überstrapaziert, in der Umsetzung rührend: Kommissarin Bönisch (Anna Schudt) muss den Lockvogel für einen Mörder spielen.
Als Konzept überstrapaziert, in der Umsetzung rührend: Kommissarin Bönisch (Anna Schudt) muss den Lockvogel für einen Mörder spielen.WDR

Seit fast zehn Jahren schon bestreitet ein Quartett die rauen Dortmunder „Tatorte“ – und meistens herrschte dicke Luft im Polizeirevier. In den ersten Jahren flogen die Fetzen zwischen dem „Psycho“ Faber (Jörg Hartmann) und seinem jungen Kollegen Kossik, der wiederum erst Kollegin Dalay schwängerte und sich dann mit ihr fetzte – beide sind längst ausgestiegen.

Doch auch die jungen Nachfolger müssen sich mit massiven privaten Problemen auseinandersetzen. Die drogensüchtige Freundin von Pawlak (Rick Okon) sitzt im Knast, ihre kleine Tochter schwirrt ohne Aufsicht herum. Bei Kollegin Herzog (Stefanie Reinsperger) wiederum meldet sich diesmal nach vielen Jahren die fremde Mutter – eine untergetauchte Linksterroristin (Rosa Enskat), die aussteigen will.

Kommissarin Bönisch als Lockvogel

Autor Jürgen Werner, Erfinder des Dortmunder „Tatorts“, hat seinem Team wieder einiges aufgebürdet – in der Summe ist es zuviel. Unter Hochspannung stand auch stets das Verhältnis zwischen Peter Faber und Martina Bönisch (Anna Schudt), die sich aber diesmal mit ihrem Ex-Lover auseinandersetzen muss. Der arrogante und narzisstische KTU-Chef (Tilman Strauß) erweist sich als noch schlimmerer „Psycho“ als einst Faber, mobbt Bönisch und sabotiert sogar die Ermittlungen. In einem Friedwald werden zwei Frauenleichen gefunden – vergraben an Stellen, die für ein Urnengrab reserviert waren. Beide Frauen waren blond und ähnelten Kommissarin Bönisch, die sich über ein Dating-Portal als Lockvogel einspannen lässt. Auch diese Nummer ist eine überstrapazierte Drehbuchidee – selbst wenn es rührend, fast komisch wirkt, wie sich der einst so schroffe Faber inzwischen um die Kollegin sorgt.

„Liebe mich“, hat Jürgen Werner seinen Fall genannt – hinter den Titel gehören zwei Ausrufezeichen! Denn hier werden sowohl der Druck und der Zwang, aber auch die Entfremdung von Beziehungen in allen Varianten durchgespielt. Zwar deckt die Story recht früh die Karten auf, schon die ersten Szenen mit dem düsteren Kindergeburtstag ohne Kind geben deutliche Hinweise. Dennoch steigert der Film von Regisseur Thorsten C. Fischer immer weiter Tempo und Dramatik, entwickelt sich zum Horror-Thriller mit einem Finale, das regelrecht schockiert. Das schwer belastete Team wird sich künftig ganz neu ausrichten müssen.

Wertung: 4 von 5 Punkten

Tatort: Liebe mich, So, 20.2., 20.15 Uhr, ARD

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