„Langweiliger Sex kann eine Art Verhütungsmethode sein“

Sie fragen, unser Mann für die Liebe antwortet. Der Auftakt unserer neuen Kolumne von Fabian Lenné. Die erste Frage: Kann Liebe ohne guten Sex funktionieren?

Kann man jemanden lieben, obwohl man den Sex langweilig findet? Unser Paartherapeut Fabian Lenné gibt Antwort darauf.
Kann man jemanden lieben, obwohl man den Sex langweilig findet? Unser Paartherapeut Fabian Lenné gibt Antwort darauf.Imago/Jochen Tack

Berlin-Phillip, 33, fragt: „Ich bin mit meiner Freundin seit etwa einem Jahr zusammen. Die Partnerschaft läuft super. Aber: Irgendwie hat der Sex nie Spaß gemacht. Ist schlechter Sex ein Trennungsgrund?“ 

Lieber Philipp, das ist statistisch gesehen schon etwas knapp. Wärt ihr vier oder fünf Jahre zusammen, würde ich sagen: „Okay. Jetzt sind die Verliebtheitshormone aufgebraucht. Jetzt müsst Ihr sehen, wie Ihr aus dem in einen guten, sexuellen Alltagsflow kommt.“ Meine Rückfrage wäre: Hast du schon mit ihr darüber geredet? Frag Dich, was Euch fehlt. Sind es aufregende sexuelle Praktiken? Oder fehlt das Sich-aufeinander-einlassen-Können? Das Verschmelzen? Ist der Sex vielleicht zu weich? Oder zu starr?

Unerfüllter Sex hat oft mit Scham zu tun. Scham, sich zu zeigen. Sich dem Triebhaften hinzugeben. Vielleicht ist die Antwort aber auch ganz simpel: Die Beziehung ist warm, aber der Sex bleibt irgendwie fremd. Hast Du dieses Phänomen schon öfters in Deinem Liebesleben erlebt? Falls ja, könnte es sein, dass Du immer wieder einen Weg findest, Beziehungen nicht zu tief werden zu lassen.

Bindungsirritationen sind lösbar

Vielleicht hattest Du die eine oder andere längere Beziehung, in der Du zu lange geblieben bist? Auch das wäre ein Zeichen, dass du das tiefere Einlassen scheust. Es ist dann ein bisschen wie auf einem Autobahn-Rastplatz: Es ist schon okay, es gibt einen Kiosk und eine Toilette, es ist auch nicht zu laut und nachts brennt Licht. Aber eigentlich ist es verschwendete Zeit.

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Foto: privat
Der Paartherapeut
Fabian Lenné, Jahrgang 1960, arbeitet seit 20 Jahren als Paartherapeut in Berlin. Er ist Autor des Buches „Vom Umgang mit der Liebe“. Lenné ist Ausbildungsleiter am Institut für Integrative Paarentwicklung. 

Dies wären Hinweise auf eine Bindungsirritation, die aus der frühen Kindheit unsichtbar, aber mit großen Auswirkungen in Deine Gegenwart schwappt. Ein Zögern, das verhindert, dass Du Dich wirklich einlassen kannst. In den Dreißigern beginnen viele Menschen, sich nach dem Partner fürs Leben, für eine Familie umzusehen. Wie ist das bei Euch? Vielleicht bist Du in einer Art Studenten-Modus unterwegs. In dieser Phase ist vieles in der Liebe einfacher, weil man gehen kann. Wenn du Dich mit einem Menschen auf eine Familie einlassen willst, ist dieser Weg innerlich erst einmal versperrt. Oft kommen genau dann die Bindungsirritationen. So kann „langweiliger Sex“ sogar zu einer unbewussten Verhütungsmethode werden.

Die gute Nachricht ist: Bindungsirritationen sind lösbar. Ob das alles ein Trennungsgrund ist, kannst nur Du selbst entscheiden. Schnuppere an dem Hals Deiner Freundin, lasse ihren Geruch auf Dich wirken und – sprich mit ihr.

Liebesfragen an: liebe@berliner-zeitung.de

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Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Samstag am Kiosk oder hier im Abo.