Münchner „Tatort“: Der Tod wächst auf der Wiese
Ein Kloster steht vor dem Ruin, dann stirbt der Wirtschaftsprüfer. Was haben die Nonnen damit zu tun? Ein besinnlicher Ratekrimi aus dem Voralpenland.

Halleluja! Im kommenden Jahr steigt Corinna Harfouch ja im rauen Berlin als „Tatort“-Kommissarin ein. In München zeigt sie nun vorher noch mal eine Art Kontrastprogramm: Sie spielt die Oberin eines Klosters im idyllischen bayerischen Voralpenland. Schwester Barbara leitet sogar das gemeinsame Singen auf Latein. Die Kollegen Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec) müssen im Kloster zum Heiligen Kreuz für einige Tage Quartier beziehen, weil der Wirtschaftsprüfer des Ordens im Zug nach München gestorben ist. Umgebracht hat ihn eine giftige Substanz aus dem Gefleckten Schierling, ein Doldenblütler, dessen tödliche Wirkung schon seit der Antike bekannt ist. So musste der zum Tode verurteilte Sokrates einen Schierlingsbecher austrinken. Nur die pflanzenkundigen Nonnen des Klosters kommen für diese raffinierte Tat infrage.
Madonnen-Wunder und Aktienkurse
Die Regisseurin Maris Pfeiffer wollte eigentlich einen leichten Sommerkrimi drehen – herausgekommen ist ein besinnlicher Ratekrimi zum vierten Advent vor sommerlicher Kulisse. Die beiden Münchener Kommissare geben sich anfangs noch distanziert-spöttisch: „Nimmst du das karge Zimmer oder das schlichte?“, fragt Leitmayr, der zwar Ministrant war, aber nicht mehr an Gott glaubt. Doch immer deutlicher merken die beiden Kommissare, dass die sieben Nonnen keine bigotten, weltfremden Einsiedlerinnen sind, sondern rege Kontakte ins normale Leben pflegen. Eine Schwester spekuliert sogar mit Aktien, eine andere beschwört ein Madonnen-Wunder. Die Nonnen kämpfen mit allen Mitteln für den Erhalt ihres riesigen Klosters, dem dasselbe Schicksal droht wie dem Drehort, dem Kloster Reisach in Oberaudorf – es fiel mangels Personal 2019 an den bayrischen Staat zurück.
Die Spannung hält sich in Grenzen, für Schockmomente sorgen allenfalls die religiösen Albträume, die Batic im karg-schlichten Zimmer befallen. Der Kameramann Alexander Fischerkoesen spielt geschickt mit dem besonderen Licht in den Gemäuern: Die harten Schwarz-Weiß-Kontraste lassen die Gesichter mitunter wie Masken wirken. So klassisch wie das Gift, so klassisch ist die Auflösung: In einer großen Runde erklären Batic und Leitmayr den Nonnen und den Zuschauern die Abfolge der Tat – und fahren nach zwei entspannten Recherche-Tagen nach München zurück. Halleluja!
Wertung: 3 von 5 Punkten
Tatort: Wunder gibt es immer wieder, So, 19. 12., 20.15 Uhr, ARD
Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.