„Muss man wirklich zusammenziehen, wenn man sich liebt?“
Sie fragen, unser Mann für die Liebe antwortet. Unsere Kolumne von Fabian Lenné. Dieses Mal: Muss man mit seinem Partner zusammenwohnen, wenn man sich liebt?

Berlin-Christian, 29: Lieber Herr Lenné! Danke für Ihre Einblicke aus der Paartherapie. Ich habe folgende Frage: Ich denke darüber nach, nach zwei Jahren Beziehung mit meiner Freundin zusammenzuziehen. Bislang hat Zusammenwohnen bei mir nicht so geklappt, ich fühlte mich schnell eingeengt. Sollte ich es versuchen? Oder kann es sein, dass Zusammenwohnen einfach nicht für jedermann ist? Aber wie gründe ich dann eine Familie? Was sagen Ihre Erfahrungen?
Lieber Christian, Zusammenziehen und Familiegründen sind wohl Elemente der Königsklasse der Liebesbeziehung. Und damit wohl auch das Aufregendste und Beeindruckendste – auch wenn manches dabei durch seine Beständigkeit wie in Zeitlupe abzulaufen scheint. Gerade eben noch zusammengezogen, ist man plötzlich unbemerkt sechs, sieben Jahre später in einer Situation, in der die Kinder eingeschult werden. Der Lebenspartner wird zum Dreh- und Angelpunkt deines Lebens, deine Familie zu deiner Heimat. Es geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod.
Die Kinder bringen uns das Leben und erinnern uns an unsere Sterblichkeit. Das Bild von Leben und Tod passt symbolisch und paartherapeutisch vielleicht auch zu deinen Gefühlen, in der Beziehung schnell eingeengt zu sein. Du ziehst dich zurück und wirst innerhalb der Beziehung immer lebloser. Das Freudige, Lebendige stirbt ab oder du kannst es nur noch außerhalb leben. Vielleicht gehst du weiter gerne feiern, weißt aber nicht mehr so recht, wie du dich zu Hause lebendig fühlen sollst.
Wahrscheinlich werdet ihr euch näherkommen
Wahrscheinlich engt dich deine Freundin nicht in echt ein. Das Gefühl des Eingeengtseins ist mehr in dir, du ziehst dich zurück und nimmst deinen Raum nicht wahr. Viele mit diesem Problem denken an dieser Stelle, dass sie zu viel für ihre Partnerin sind, und halten sich deshalb zurück. Andersherum gedreht hätte man sich dann allerdings eine Partnerin ausgesucht, die nicht sehr belastbar wäre. Wie kräftig ist deine Freundin wirklich? Fühlt sie sich so schnell von dir bedrängt oder sogar infrage gestellt, wie du denkst?
Kann sie rechtzeitig und freundlich Bescheid sagen, wenn du zu lebendig bist? Vielleicht wünscht sie sich sogar, dass du es bist? Es sind meist bestimmte frühe Erfahrungen mit unseren Eltern und Geschwistern, die uns dann als Erwachsene in der Nähe zu schüchtern sein lassen. Jetzt mit 29 Jahren kannst du dazu mit deiner Freundin neue Erfahrungen sammeln und dein Verhalten hinterfragen. Sprich mit ihr darüber. Vielleicht werdet ihr beide staunen. Wahrscheinlich werdet ihr euch näherkommen.
Haben Sie eine Frage an den Liebestherapeuten? Schreiben Sie uns! liebe@berliner-zeitung.de
Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.