Nackte Wahrheiten über nackte Brüste

Warum regen sich Leute über Teile des Frauenkörpers so auf? Hat doch eh kaum eine noch was an. Die Köpenicker Staatsgewalt hat mal wieder eine Posse produziert.

Der darf. Frauen bekommen Ärger, wenn sie oben ohne im Park sitzen. 
Der darf. Frauen bekommen Ärger, wenn sie oben ohne im Park sitzen. McPHOTO/Blickwinkel/M. Gann

Berlin-Possen-Bezirksmeister Köpenick liefert die Berliner Sommergeschichte 2021. Eine mit nackten Brüsten!  Wer hätte gedacht, dass das 40 Jahre nach 68 noch funktioniert. Im Rathaus mit dem weltberühmten Hauptmann vor der Tür störte man sich vor ein paar Jahren an Aktfotos und trieb die Sünde aus. Jetzt warf das Ordnungsamt mit Polizeihilfe eine Frau aus der Plansche Plänterwald, weil sie sich oben ohne gesonnt hatte. Skandal! Eine „grob ungehörige Handlung“, die geeignet sei, „die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen“.

Skandal? Echt? Zunächst mal: abregen. Ist nichts passiert. Eichenprozessionsspinnerpickel sind schlimmer. Doch die FKK-sozialisierte Ostlerin schüttelt sich, wenn die exzessive Sexualisierung einer weiblichen Körperrundung sittliche Konvulsionen erzeugt.

Ganz ohne ist die Geschichte aber nicht, denn sie birgt Kulturkampfpotential: Wieder einmal werden verletzte Gefühle vorgeschoben, um anderen Menschen eine Freiheit zu nehmen. Wieder einmal tun Sittenwächter so, als sei die weibliche Brust ein widerlich Ding, ein unbedingt zu bedeckender Makel. Mann hingegen darf seinen Oberkörper selbst mit stärkster Rundung und trotz stärkster ästhetischer Irritationen vorzeigen.

Das Publikum ist Nacktes im öffentlichen Raum gewöhnt; sobald es warm wird, zieht Frau kaum noch was an – Bauch frei, Schulter, Rücken, Beine frei. Mit Mühe werden die Nippel-Quadratmillimeter bedeckt. Empfehlung: Weggucken.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.