Polizeiruf: Zwei Kommissare zwischen Rock und Hose

Ein Teil des neuen Ermittlerduos in Brandenburg ist genderfluid, der andere ein Macho. Hier werden wenige Klischees ausgelassen, ein paar zum Glück aber doch.

Als der neue Kollege (André Kaczmarczyk) im Rock vor ihm steht, ist Kommissar Raczek (Lucas Gregorowicz) zunächst irritiert.
Als der neue Kollege (André Kaczmarczyk) im Rock vor ihm steht, ist Kommissar Raczek (Lucas Gregorowicz) zunächst irritiert.rbb

Gerade hat der frisch nach Slubice gezogene Vincent (André Kaczmarczyk) seinen Nachbarn kennengelernt, da wird der Mann auch schon verblutet in der Küche aufgefunden. Vincent ist für das deutsch-polnische Polizistenteam aber nicht nur ein Zeuge, sondern entpuppt sich auch als Kollege: Kommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), der im letzten Fall noch allein in Cottbus ermittelt hatte, bekommt mit Kommissarsanwärter Vincent Ross einen neuen Dauerpartner.

Raczek muss sich noch mehr wundern: Denn der Neue steht im Schottenröckchen vor ihm – und nicht etwa, weil er Freund der schottischen Folklore ist. Der neue Kollege sei vielmehr „genderfluid“, wie der RBB erklärt: Er unterscheide nicht zwischen Geschlechtern, er wechselt zwischen Rock und Hose. Die leidigen Diskussionen um die gendertechnische Korrektheit trägt der Brandenburger „Polizeiruf“ auch verbal aus: Denn selbst die polnischen Kollegen und Kolleginnen bestehen neuerdings darauf, dass der Täter auch eine Täterin sein könnte und Raczek fragt genervt, ob jetzt jeder Mörder gegendert werden müsse.

Gemüse gegen Fleisch

Der polnischstämmige Kommissar wird überhaupt zur traditionell-männlichen Gegenfigur für den Neuen aufgebaut, pflegt einen rauen Ton, ist hart gegen sich selbst und legt riesige Fleischlappen auf seinen Grill. Vincent dagegen isst Gemüse, ist hochsensibel und versetzt sich einfühlsam in alle Verdächtigen – er hat einen Bachelor in Psychologie. Zum Glück trägt André Kaczmarczyk, der trotz seines Namens kein Wort Polnisch spricht, das „Genderfluide“ nicht wie eine Fahne vor sich her, sondern erweist sich als wirklich spielfreudiger Gegenpart.

Das Autorenduo Anika Wangard und Eoin Moore, das auch den Rostocker „Polizeiruf“ betreute, hat hier deutlich mehr Wert auf die neue Konstellation als auf den aktuellen Fall gelegt. Der Kampf um „Hildes Erbe“ bleibt groteskes Bauerntheater. Tatja Seibt spielt eine grantige Großmutter, die höhnisch über ihren toten Enkel lacht, mit ihrem Elektromobil Raczeks Motorrad über den Haufen fährt, zum Jagdgewehr greift und ihren ungeratenen Sohn mit ihrer Sauerstoff-Flasche verprügelt – Knautschgesicht Lars Rudolph spielt ihn als wimmerndes Häufchen Elend. Dass die wilde Hilde fast eine Million Euro in zwei Plastetüten in ihrem morschen Häuschen herumstehen hat, erscheint unglaubhaft – die Scheine wirken wie eilig kopiertes Spielgeld.

Wertung: 2 von 5 Punkten

Polizeiruf 110: Hildes Erbe, So, 30.1., 20.15, ARD

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