Sinéad O’Connor: Früher hatte sie Zusammenbrüche, heute spürt sie Hoffnung

In ihrer neuen Autobiografie erzählt die irische Sängerin von traumatischem Kindesmissbrauch und von Highlights ihrer Karriere. Ein packendes Buch.

Riva

Berlin-Schon bevor man das Vorwort zur Autobiografie „Erinnerungen“ der irischen Musikerin Sinéad O’Connor liest, hat man ein ungutes Gefühl im Bauch. Vielen Fans wird schließlich der traumatische Kindesmissbrauch durch ihre Mutter in Erinnerung geblieben sein, der heute zu ihrer Geschichte genauso gehört wie ihre Karriere als Sängerin. Ihr letztes Album erschien 2014. Die vergangenen Jahre waren geprägt von psychischen Zusammenbrüchen, die die Sängerin in den sozialen Medien öffentlich machte, und emotionalen Interviews, die selbstausbeuterisch wirkten.

Man könnte Sinéad O’Connors Autobiografie also mit sehr viel Skepsis lesen. Doch die Sorgen sind unbegründet. Die Künstlerin hat wieder die Kontrolle über ihr Leben gewonnen und kein Interesse daran, sich als Opfer darzustellen. Ein Beispiel ist ein Moment von 1992: Bei einem Auftritt bei „Saturday Night Live“ zerriss die Sängerin ein Bild des Papstes aus Protest gegen Kindermissbrauch in der katholischen Kirche. Einige Kritiker behaupteten, die Aktion habe ihrer Karriere einen Dämpfer verpasst. Doch davon will sie heute nichts hören. „Meine Karriere entgleiste, weil ich einen Nummer-1-Hit hatte. Das Zerreißen des Fotos hat mich wieder auf die richtige Spur gebracht.“ Die Sängerin deutet so an, dass sie an dem Erfolg nach der Veröffentlichung des Songs „Nothing Compares 2 U“ nahezu zerbrochen wäre.

Sie hofft auf eine bessere Welt nach dem Virus

Im Plauderton teilt die Sängerin ihre „Erinnerungen“ als individuelle Momentaufnahmen aus ihrem Leben. Sie erzählt herzzerreißende Geschichten aus ihrer turbulenten Kindheit und auch Highlights aus ihrer Karriere. Außerdem beweist sie einen großartig trockenen Humor, der charmant wirkt.

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Nach einer Hysterektomie 2015 erlitt Sinéad O’Connor einen „völligen Zusammenbruch“, der sie vier Jahre lang davon abhielt, ihre Autobiografie weiterzuschreiben. Die Erinnerungen zwischen diesen Jahren werden damit holpriger. Doch dafür erfährt man viel über ihre Musik, ihre Kinder und die Religion, vor allem ihre Bekehrung zum Islam.

Die vergangenen 18 Monate hat die Künstlerin wie die meisten von uns auf der Couch verbracht: „Ich sitze auf meinem Hintern und mache nichts, außer zuzunehmen“, heißt es im Epilog. Sie hofft, diesen Sommer wieder auf Tournee gehen zu können – und auf eine bessere Welt nach dem Virus.

Wertung: 4 von 5 Punkten

Sinead O'Connor: „Erinnerungen“, riva Verlag, München 2021. 256 S., 20 Euro.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.