„Tatort“-Kritik: Diktatoren-Zögling im deutschen Internat

Der Sohn eines ausländischen Tyrannen wird entführt. Haben seine Mitschüler den Philosophieunterricht zu ernst genommen?

Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) mit einer Freundin (Valerie Stoll) des entführten Jugendlichen.
Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) mit einer Freundin (Valerie Stoll) des entführten Jugendlichen.NDR

Als dieser „Tatort“ Ende 2020 gedreht wurde, dachte keiner daran, dass der Titel „Tyrannenmord“ mal eine ganz aktuelle Bedeutung bekommen könnte. Denn inzwischen finden sich auf den weltweiten Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine viele Transparente, die sich den Tod des Tyrannen Putin wünschen; ein US-Senator forderte offen zu einem Attentat auf.

Im „Tatort“ vom NDR soll Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) in Hannover den Schutz eines Diktators aus dem fiktiven „Orinaca“ organisieren, der zum Staatsbesuch weilt. Doch dann wird er in die niedersächsische Provinz abkommandiert – der Sohn des Botschafters von „Orinaca“ ist verschwunden, obwohl er von einem bulligen Bodyguard beschützt wurde. Der siebzehnjährige Juan lebte in einem teuren Elite-Internat, so wie einst der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un – Berichte über dessen Zeit auf Schweizer Nobelschulen inspirierten den Autor Jochen Bitzer. Und wie sein Drehbuch es so will: Kurz vor dem Verschwinden hatte Juans Klasse über das Thema „Tyrannenmord“ diskutiert. An der Tafel standen Namen von Pinochet bis Hitler. Während Juan verschwunden bleibt, taucht ein Flugblatt auf: Es fordert die Freilassung politischer Gefangener in „Orinaca“ im Tausch – und der stoische Kommissar Falke wird wütend, als er erfährt, wer die Geisel wirklich ist: der Sohn des Diktators.

Die Last der gehobenen Herkunft

Doch ein echter Polit-Thriller will dieser Krimi gar nicht werden; die Verweise auf eine opportunistische Ministerin und deren Staatssekretär bleiben schwach. Dafür versucht Falke, sich in das Umfeld des Verschwundenen hineinzudenken – dem linken Bundespolizisten ist dieses Elite-Milieu erwartungsgemäß fremd.

Der Krimi von Regisseur Christoph Stark führt die Zöglinge nicht wie sonst üblich als arrogante Chefs von morgen vor. Die Mitschüler von Juan, wie seine Freundin Hanna (Valerie Stoll), deuten eher die Last und die Einschränkungen ihrer gehobenen Herkunft an. Leicht komische Seiten bekommen die Ermittlungen, wenn sich Falke, der diesmal ohne Kollegin Weisz ermittelt, mit dem naiven Dorfpolizisten (Arash Marandi) und dem düpierten Bodyguard (José Barros) auseinandersetzt – die beiden stehen ihm immer wieder im Weg. Insgesamt entwickelt sich dieser „Tatort“ zu einem recht konventionellen Krimi mit wechselnden Verdächtigen. Der Titel „Tyrannenmord“ hatte mehr versprochen.

Wertung: 3 von 5 Punkten

Tatort: Tyrannenmord, So, 20.3., 20.15, ARD

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.