Weiße Tischdecken und eiskaltes Bier aus dem Tonkrug – das ist die Nußbaumerin

Österreich produziert viele Skandale, ist politisch ein Zwerg und kulinarisch ein Riese. Nur gut, dass uns in Berlin ein paar Ösis mit ihren Gerichten beglücken.

Nussbaumerin Bildrechte White Kitchen
Nussbaumerin Bildrechte White KitchenWhite Kitchen

Berlin-Es gibt in Wien in der Bognergasse ein wunderbares Lokal. Es heißt Zum schwarzen Kameel und dort kann man in der Bar an kleinen Tischchen mit weißen Tischdecken herrlich das leichte Leben genießen. Am besten bestellt man tagsüber alle paar Minuten ein Pfiff – das ist ein kleines eiskaltes Bier – und ein paar Stiebitzereien. Zum Beispiel ein Wiener Schnitzel aus dem Kalbsrücken. Serviert wird es in kleine Karrees geschnitten, die man dann lässig mit einem kleinen Holzpieker aufpieken kann. Und im Schwarzen Kameel gibt es immer was zu sehen. Ein Freund wollte sich dort mal neben den ehemaligen Bundeskanzler Christian Kern setzen. Er wurde von den Leibwächtern zunächst wüst wieder vertrieben. Als er dann beteuerte, den Regierungschef nicht zu kennen, weil Österreich ja schließlich politisch so unbedeutend sei, schmunzelte Kern und lud ihn an seinen Nachbartisch ein.

Auch wenn Österreich ja wirklich sehr klein ist, und das Amt des Bundeskanzlers dort fast so bedeutend ist wie das des Bürgermeisters von Hildesheim, produziert dieses kleine Land ja unglaublich viele herrliche Skandale, die man in der Kronen-Zeitung nachlesen kann. Und auch kulinarisch ist das Land – im Gegensatz etwa zu den neuen Bundesländern, die genau doppelt so viele Einwohner haben wie die kleine Alpenrepublik – ein Riese. Und wir sind wirklich froh, dass ein paar Österreicher hier in Berlin kulinarisch aushelfen.

Gletscherkaltes Stiegl-Bier

Ein Lokal, das mich in der vergangenen Woche ein bisschen an das Schwarze Kameel erinnert hat, ist das Restaurant Nußbaumerin in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms. Denn hier wird auch herrlich weiß eingedeckt und hier herrscht abends auch ein ähnliches Gedränge wie im beschriebenen Kult-Lokal der österreichischen Hauptstadt. Und auch hier kann man herrlich die Seele baumeln lassen. Starten sollten Sie Ihren Aufenthalt mit einem Stiegl-Bier. Serviert wird der halbe Liter von der resoluten Inhaberin Johanna Nußbaumer persönlich in einem gletscherkalten Tonkrug, der zuvor im Eisfach auf Großglockner-Wintertemperatur heruntergekühlt wurde. Wenn man so kaltes Bier trinkt, merkt man die Menge gar nicht und kann immer weiter trinken.

Aber wir sind nicht nur dafür gekommen, sondern wollen auch was essen. Ich bestelle natürlich den Kalbstafelspitz in der Terrine (25,90 Euro). Vorweg gibt es natürlich die Brühe mit ganz fein geschnittenen Frittaten. Und das ist schon mal ein Gedicht und passt perfekt zum eiskalten Getränk. Man fühlt sich schnell wie in einem Kärntner Bauernhaus vor dem Kamin. Und der Tafelspitz ist auch in Ordnung. Serviert wird er mit Bratkartöffelchen, Wurzelgemüse, einer Krensoße und nochmal extra frischem Kren. Das kann sich sehen lassen. Der Vergleich mit dem besten Tafelspitz der Welt, den es im Plachutta in Wien gibt, kann allerdings unterbleiben. Wir sind schließlich in der dreckigsten Hauptstadt der westlichsten Welt und können froh sein, dass wir hier so einen wunderbaren Tafelspitz bekommen.

Ein Gericht, das nicht nach Wien, sondern nach Frankfurt schmeckt

Meine Freunde bestellen „Nußbaumerins Spezial“ (24,90 Euro). Das ist rosa gebratenes Entrecôte vom Weideochsen in einem kleinen Pfännchen serviert und mit einer Art Kräutersoße überzogen. Das schmeckt wunderbar, und doch ist der Gast ein bisschen irritiert, fühlt er sich doch ein bisschen an eine Frankfurter Äppelwoi-Kneipe erinnert. Aber das ist gar nicht schlimm. Schließlich können wir auf unsere hessische Grüne Soße stolz sein: ein deutscher Klassiker, der ausnahmsweise wirklich super ist.

Alles in allem kann man die Nußbaumerin durchweg empfehlen (die Schnitzel am Nachbartisch sehen schön aus!), auch weil die Weinkarte gut sortiert ist und die Preise wirklich in Ordnung sind. Wir haben einen schönen Redmont von Markowitsch (toller Produzent!) aus dem Carnuntum getrunken, der uns sehr gefallen hat. 

Bewertung: 4 von 5!

Restaurant Nußbaumerin, Leibnizstraße 55, 10629 Berlin, Montag bis Freitag 17 bis 23.30 Uhr, unbedingt reservieren.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.