Wolfgang Herrndorfs Erzählungsband "Diesseits des Van-Allen-Gürtels": Das wird böse enden

Für Bibliotheken aller Größenordnungen ist mit dem Kauf kein Risiko verbunden", so konstatiert die Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen; ". die Geschichten sind leicht zu lesen, der ,Ernst des Lebens' wird dem Leser unmerklich untergeschoben, und wenn er's nicht merkt, hat er sich trotzdem gut unterhalten." Auch wenn das Urteil ganz ähnlich selbst auf Hedwig Courths-Mahler zutreffen mag - es bleibt eines der wenigen über Wolfgang Herrndorfs neues Buch "Diesseits des Van-Allen-Gürtels", das sich nicht daran abarbeitet, wie sehr der in Berlin lebende Autor Teil der "digitalen Bohème" sowie jener Großstadtliteratenschaft ist, die die Wertschöpfungskette vom Partybesuch zum Partybericht perfektioniert hat.Herrndorf - außerdem Maler, Illustrator (beispielsweise für die "Titanic") und Inoffizieller Mitarbeiter der Zentralen Intelligenz Agentur (ZIA) - debütierte als Romanautor 2002 mit "In Plüschgewittern", 2004 gewann er beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb den Publikumspreis für eine frühere Fassung von "Diesseits des Van-Allen-Gürtels". Wie einem hoffnungsvollen Heranwachsenden der Berufswunsch Astronaut ausgetrieben wird (alles bloß ein Hollywood-Bluff, das mit der Mondlandung), weil der ältere Gesprächspartner sich so mal eben für die eigenen Enttäuschungen rächen will - daraus wurde nun eine von sechs Geschichten im gleichnamigen Erzählungsband. Eine andere behandelt, prächtig parodistisch, das Gründungsgelage der ZIA, inklusive Heimsuchungen durch Joachim Lottmann und Wiglaf Droste.Der Protagonist in den "Plüschgewittern" wirkte wie ein Wiedergänger jenes schlaffen Haros, den Werner Enke anno 1967 für "Zur Sache, Schätzchen" kreiert hatte. Und das berühmteste Zitat dieses Films, "Das wird böse enden", scheint bei Wolfgang Herrndorfs neuen, bitter komischen Geschichten wieder wie eine Art unausgesprochene Pointe über der beschriebenen Wirklichkeit zu schweben: Mögen einige der handelnden Personen auch schon in durchaus erwachsenen Lebenskonstellationen verankert sein, so lassen sie sich doch wie ewig Adoleszente dahin treiben und retten sich - Herrndorfs Dialoge sind hier ungemein entlarvend - höchstens mal in schicke, abgeklärte Posen.Dazu gehört die Chefin einer Werbeagentur, die sich auf ihrer kollabierenden Hauseinweihungsparty in unnachahmlich gehässiger Weise über ihren daueronanierenden Sohn verbreitet. Hinaus ins Brandenburgische ist sie gezogen, das auch in anderen Teilen des Buches seine Rolle spielt; als karge Pampa nämlich, in der Herrndorfs Desillusionierte nichts irgendwie Erhebendes mehr zu sehen im Stande sind. Mit einer missmutigen Naturbetrachtung ("Ich fühlte mich wie ein Aussatz im All. Jeder Tautropfen war unvergänglicher als ich.") schließt jede Geschichte.So auch bei einem Ich-Erzähler, dem im Oderbruch sein Auto geklaut wird und der bei einem so spröden wie zutraulichen Mädchen landet, das ihn zum Tischtennisspielen in den Keller verschleppt: eine Situation voll von suspense, die im Nichts endet - und die den Erzählton von Herrndorfs Figuren mit seiner Distanziertheit und Deutungsvermeidung verschränkt: "Als denkender Mensch möchte man nicht belästigt werden vom Jahrmarktsvergnügen des künstlerischen Mehrwerts", heißt es einmal, und vielleicht hat da ja ni cht nur ein Todesengel von Krankenpfleger gesprochen, sondern auch der Autor.------------------------------Wolfgang Herrndorf: Diesseits des Van-Allen-Gürtels. Eichborn, Berlin 2007. 185 S., 17,90 Euro.