Da ist er nun also, der Schuldspruch für Christian Wulff. Er kommt nicht vom Gericht, dort dümpelt das Korruptions-Verfahren gegen den ehemaligen Bundespräsidenten vor sich hin. Das Urteil kommt von Wulffs früherem Pressesprecher und engen Vertrauten, Olaf Glaeseker. Den hat Wulff rausgeschmissen, als es brenzlig wurde für ihn selber. Bekanntermaßen hat Wulff seinen Job als Bundespräsident trotzdem verloren.
Zwei Jahre sind seither vergangen, der Prozess gegen Glaeseker hat begonnen, der gegen Wulff geht möglicherweise seinem Ende entgegen. Glaeseker hat nun sein erstes Interview gegeben. „Ich habe ihm verziehen und gucke nach vorn“, hat er dem Spiegel gesagt. Das klingt großmütig. Tatsächlich aber ist es eine elegant formulierte Anklage. Denn wenn Glaeseker verziehen hat, muss es etwas zu verzeihen geben.
Was das seiner Meinung nach ist, macht der 55-jährige PR-Mann dann ziemlich deutlich. Sein eigener Rausschmiss im Dezember 2011 sei eine „psychische Grenzerfahrung“ gewesen, nach zwölfeinhalb Jahren enger Zusammenarbeit und freundschaftlicher Verbundenheit. Es habe ihm weh getan, so in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, obwohl er doch nur das Geschäft seines Chefs erledigt habe. Und außerdem habe er in diesen Zeiten erfahren, was es bedeute, wenn man sage: „Der wahre Freund zeigt sich in der Not.“
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Es ist kein freundliches Charakterbild, das Glaeseker da von seinem früheren Chef zeichnet. Der Wulff, den Glaeseker früher verkauft hat, war erst ein eifriger aufstrebender niedersächsischer Ministerpräsident, dann ein höchst moderner Bundespräsident. Der Wulff, den er heute beschreibt, lässt seine Freunde im Stich und hat ein sehr selektives Erinnerungsvermögen. Man könnte auch platter sagen: Er lügt.
Nun müssen natürlich auch Glaesekers Einlassungen nicht stimmen. Schließlich hängt sein eigener Prozess auch von Wulffs Einlassungen ab. Allerdings ist Wulff zuletzt auch von seiner ersten Frau Christiane widersprochen worden.
Glaeseker sagt, Wulffs Verhalten sei damit zu erklären, dass ihn der Rücktritt und die damit verbundenen Erlebnisse schwer traumatisiert hätten. Er hat ja nicht nur Ansehen und Job verloren. Kurz nach dem Rücktritt hat sich auch noch seine zweite Frau von ihm getrennt. „Ich stelle mir das für ihn wie bei einer Massenkarambolage vor“, sagt Glaeseker. Auch für Unfallopfer verschiebe sich gelegentlich die Perspektive, Erinnerungen gingen verloren. Es ist, dann doch, ein Freispruch – allerdings mangels Zurechnungsfähigkeit. Am Donnerstag tritt Glaeseker als Zeuge im Wulff-Prozess auf.