Berliner Forscher: In Waldnähe zu wohnen, ist gut fürs Hirn

In einer großen Stadt wohnen und trotzdem den Wald vor der Haustür haben – so etwas ist für viele ein Traum. In Berlin kann er wahr werden, denn ein Fünftel der Stadtfläche ist mit Wald bedeckt.

Wer eine Wohnung oder ein Haus in Forstnähe ergattert, profitiert aber nicht nur von besserer Luft und dem hohen Freizeitwert. Wohnen in Waldnähe hilft auch dabei, Stress besser zu verarbeiten. Das haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin-Dahlem jetzt herausgefunden.

Wie ein Team um Simone Kühn im Fachmagazin Scientific Reports berichtet, hat der Wohnort Einfluss auf ein Hirnareal namens Mandelkern. Diese auch Amygdala genannte kleine Region im Innern des Gehirns spielt eine wichtige Rolle bei der Stressverarbeitung und der Reaktion auf Gefahren.

Nur ein echter Wald hat positive Auswirkungen auf das Gehirn

Die Studie, an der 341 ältere Erwachsene aus Berlin teilnahmen, zeigte: Bei Stadtbewohnern, die nahe am Wald wohnen, gibt es vermehrt Hinweise auf eine physiologisch gesunde Struktur der Amygdala. Die Forscher schließen daraus, dass diese Personen also vermutlich besser mit Stress umgehen können. Dieser Effekt blieb auch dann bestehen, wenn Unterschiede im Bildungsabschluss und in der Höhe des Einkommens herausgerechnet wurden.

Offensichtlich muss es tatsächlich echter Wald sein, um den Effekt hervorzurufen. Bei Studienteilnehmern, die in der Nähe von städtischen Grün- oder Wasserflächen oder von Brachland wohnten, fanden die Berliner Forscher keine Effekte auf den Mandelkern.

Das Team will das Phänomen nun näher untersuchen. Denn anhand ihrer bisherigen Befunde können die Wissenschaftler noch nicht mit Sicherheit sagen, ob es tatsächlich das waldnahe Wohnen ist, das sich positiv auf die Amygdala auswirkt – oder ob es Menschen mit gesünderer Amygdala eher in waldnahe Wohngebiete zieht. Eine positive Wirkung der Waldnähe auf den Mandelkern halten sie aber für wahrscheinlicher.

Erkenntnisse könnten für Städteplanungen wichtig sein

Die Teilnehmer der Studie machen bei der Berliner Altersstudie II mit. Darin werden die körperlichen, geistigen und sozialen Bedingungen für ein gesundes Älterwerden untersucht. Die insgesamt 341 Erwachsenen sind zwischen 61 und 82 Jahre alt. Neben Denk- und Gedächtnisaufgaben wurde mithilfe der Magnetresonanztomografie die Struktur von stressverarbeitenden Hirnregionen vermessen, insbesondere der Amygdala.

„Unsere Studie untersucht erstmals die Verbindung von städtebaulichen Merkmalen und Hirngesundheit“, sagt Koautor Ulman Lindenberger, Direktor des Forschungsbereichs Entwicklungspsychologie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die Erkenntnisse könnten für die Stadtplanung wichtig sein. Schließlich werde damit gerechnet, dass bis 2050 fast 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten wohnen.

Dass das Leben in Städten stressiger ist als auf dem Land, haben diverse Studien gezeigt. Städter laufen häufiger Gefahr an psychischen Leiden wie Depressionen, Angststörungen und Schizophrenie zu erkranken als Landbewohner. Und sie weisen eine höhere Aktivität des Mandelkerns auf. Wohnen am Wald könnte dem vorbeugen.