Chaos an den Strom-Zapfsäulen? Ein Berliner Start-up hat da eine Lösung

In einer Studie ist von Zumutung für die Autofahrer die Rede. Das Start-up Peaq will das ändern und erhält Unterstützung von einem großen Autokonzern.

Der Zugang zu den rund 30.000 öffentlichen Strom-Zapfsäulen in Deutschland ist kompliziert, das belegte eine Studie im vergangenen Jahr.
Der Zugang zu den rund 30.000 öffentlichen Strom-Zapfsäulen in Deutschland ist kompliziert, das belegte eine Studie im vergangenen Jahr.imago/photothek

Berlin-In der alten Welt ist das Tanken ganz einfach. Geht die Tanknadel in den roten Bereich, sucht der Besitzer eines Autos mit Verbrennungsmotor die nächste Zapfsäule auf, lässt den Treibstoff in den Tank rauschen, zahlt an der Kasse und verlässt die Tankstelle gut gelaunt. Ganz einfach, so geht das seit Jahrzehnten. Im Bereich der E-Mobilität ist die Sache dagegen nicht so einfach.

Das beginnt schon mit dem Zugang zu den Strom-Zapfsäulen in Deutschland. Der Energieversorger Lichtblick hatte im Oktober des vergangenen Jahres eine Studie dazu vorgestellt. Ergebnis: „Unterwegs Strom laden bleibt auch 2020 für die Mehrzahl der E-Auto-Fahrer eine Zumutung: Die Tarife sind undurchsichtig. Es gibt eine Vielzahl an Abrechnungsverfahren. Und der Zugang zu den rund 30.000 öffentlichen Strom-Zapfsäulen in Deutschland ist kompliziert“, heißt es in dem Bericht. Ein Beispiel: Elf der geprüften Anbieter erlauben der Zugang per App, sechs per Karte, zwei mit QR-Code einer per SMS. Bei manchen sind auch mehrere Optionen möglich.

„Trotz zunehmender Kritik von E-Auto-Fahrern und Politik: Verbraucherfreundlichkeit ist an Deutschlands Ladesäulen weiter Fehlanzeige. Die Zustände an den Stromtankstellen sind eines der größten Hindernisse für eine grüne Verkehrswende“, erklärte Ralph Kampwirth, Unternehmenssprecher von Lichtblick. Nicht gerade hilfreich für die Auto-Industrie, die ihre Zukunft zurzeit in der E-Mobilität sieht. 

Das Gründerteam von Peaq mit Till Wendler (Mitte). 
Das Gründerteam von Peaq mit Till Wendler (Mitte). peaq

Auch Till Wendler weiß um die Unzufriedenheit der Nutzer. Er gehört zu den Gründern des Berliner Start-ups Peaq, das im Auftrag eines der größten deutschen Autobauer mit verschiedenen Marken (der Name ist noch geheim) an einer Lösung dieses Problems arbeitet. Die Idee: Wenn es darum geht, verschiedene Interessen zusammenzubringen und die Datensicherheit eine bedeutende Rolle spielt, dann bietet sich die Blockchain-Technologie an.

Blockchain? Da war doch was. Vor vier Jahren gab es einen großen Hype darum. Mit der Erfindung der Krypto-Währung Bitcoin entstand ein Weg für Transaktionen, der als extrem sicher gilt. Außerdem lassen sich diese digitalen Buchungen verlässlich und für die Teilnehmer nachvollziehbar dokumentieren. Wendler spricht von einer vertrauensvollen Infrastruktur oder auch von einer fragmentierten Lade-Infrastruktur in der Elektro-Technologie. 

Dieses Prinzip will das Berliner Start-up jedenfalls im Bereich der Mobilität etablieren, die Idee basiert auf der Blockchain-Technologie, ist aber weiterentwickelt, sodass es schnelle Transaktionen ermöglicht. 17 Leute sind an der Chausseestraße im Grenzbereich der Berliner Stadtteile Mitte und Wedding aktiv. Mitgründer Wendler war nach dem Abitur im Silicon Valley unterwegs, hat in Kalifornien Business Management studiert und beschäftigt sich seit sechs Jahren mit der Blockchain-Technologie. Oft ist es in der Start-up-Welt so, dass die jungen Gründer ihre Geschäftsidee mit großem Getöse der staunenden Öffentlichkeit präsentieren, um zu sehen, ob das geplante Projekt auch eine Chance hat. Je lauter, je schriller, desto besser.

Wendler setzt eher auf den traditionellen Unternehmeransatz: erst liefern, und dann sehen, was noch geht. „Je mehr man im Vorfeld erzählt, je mehr hat man auch zu verlieren“, sagt der Jung-Unternehmer im Videogespräch mit der Berliner Zeitung. Im Hintergrund sind auf seinem Bildschirm massive Ziegelsteine zu erkennen. Diese Bauweise passt zu der Firmen-Philosophie, Robustheit statt  Luftschlösser. So konnten auch erfahrene Wirtschaftskapitäne wie Werner Geissler, ehemaliger Vice-Chairmann von Procter & Gamble, Michael Ganser, ehemaliger Deutschland-Geschäftsführer von Cisco, und Friedrich Neuman, Senior-Advisor beim Wirtschaftsprüfer Deloitte, als Investoren überzeugt werden. 

In der Vergangenheit gab es allerdings immer wieder Fälle, in denen die Alternativen zur Blockchain-Technologien gehackt werden konnten. Wendler weiß von diesen Fällen, berichtet, dass Peaq auf eine Kombination aus Künstlicher Intelligenz (KI) und Post-Quantum-Kryptographie setzt. Die KI soll dabei helfen, das Risiko vor Angriffen, die durch Fehler von Menschen verschuldet sind, zu reduzieren. Die Post-Quantum-Kryptographie ist so angelegt, dass sie auch bestehen kann, wenn Quantencomputer die Norm sein werden.

Diese Infrastruktur im Hintergrund soll sicherstellen, dass die Vorteile der Blockchain-Technologie dann im Bereich der E-Mobilität und der Strom-Zapfsäulen funktionieren kann, wo es um Authentifizierung, Verifizierung und Abrechnung über sogenannte Smartcontracts geht. Mit der Peaq-Technologie ausgestattete Fahrzeuge sollen sich anbieterübergreifend mit Ladestationen verbinden und diese dann problemlos nutzen können. Auch bei der Abrechnung soll die Blockchain Sicherheit und Verlässlichkeit bieten. 

Und wie wird es dann weitergehen? Lästig ist auch das Auftanken, wenn das Kabel aus dem Kofferraum geholt und an die Zapfsäule angeschlossen werden muss. Als vor Jahren in Berlin über die Zukunft der Blockchain-Technologie gesprochen wurde, da wurde als Beispiel auch immer wieder das Aufladen der E-Fahrzeuge genannt. In der Zukunft könnte der Vorgang zwischendurch im Straßenverkehr passieren. Die Ampel springt auf Rot. Kein Grund zum Ärgern, sondern eine gute Zeit zum Aufladen. In der kurzen Phase könnte eines Tages so etwas wie eine Induktionsschleife dabei helfen, das wartende Fahrzeug mit Strom zu versorgen.

Wendler sagt nicht viel zu dem Beispiel. Würde ja auch nicht wirklich zu seiner Firmenphilosophie der kleinen Schritte passen. Erst mal will er helfen, dass die Autofahrer in Deutschland sich an den Zapfsäulen einfacher bedienen können.