Chemie-Nobelpreis: Forscher erfinden Power-Akkus fürs Elektro-Auto
Hoch kompliziert sind die Forschungen, mit denen es die Nobelpreiskomitees heutzutage meist zu tun haben. Die Auswahl fällt oft schwer. Für Laien ist vieles schwer verständlich – und doch soll es sich um Leistungen handeln, die für die gesamte Menschheit von größtem Nutzen sind, wie es Alfred Nobel einst zur Bedingung gemacht hatte.
In diesem Jahr haben auch die Laien Glück. Denn der Nutzen der Erfindung, die ausgezeichnet wird, liegt klar auf der Hand. Den Chemie-Nobelpreis erhalten drei Forscher, die die Lithium-Ionen-Batterie entwickelt haben. Mit solchen Batterien fahren weltweit E-Bikes, E-Autos und Hybridfahrzeuge. Man findet sie in Mobiltelefonen, Notebooks, Akkuschraubern, Kameras, Gartengeräten und Batterie-Speicherkraftwerken. Sie können große Mengen an Solar- und Windenergie speichern und tragen dazu bei, eine Welt frei von fossilen Kraftstoffen zu schaffen.
97-jähriger Nobelpreisträger
Vor einigen Jahrzehnten kursierte ein Witz: Die tragbaren Geräte würden immer kleiner, aber für die Stromversorgung müsse man einen Handwagen mit Batterie hinter sich herziehen. Dies hat sich grundlegend verändert. Heutige Batterien seien leicht, wiederaufladbar, leistungsstark und sicher, betonten die Nobelpreis-Juroren der Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm. Und dies sei vor allem drei Forschern zu verdanken: dem US-Amerikaner John Goodenough, dem Briten Stanley Whittingham und dem Japaner Akira Yoshino. Sie erhalten zu gleichen Teilen den Chemie-Nobelpreis 2019, der mit neun Millionen schwedischen Kronen (824 000 Euro) dotiert ist.
Mit der Preisvergabe an John Goodenough hat die Akademie auch einen Rekord gebrochen. Der 1922 in Jena geborene Materialforscher ist mit 97 Jahren der älteste Nobelpreisträger überhaupt, wie es am Mittwoch hieß. Er wusste zunächst nichts von seiner Auszeichnung. Man habe ihn im Gegensatz zu den anderen beiden Preisträgern am Morgen nicht erreichen können, sagte Göran Hansson, Generalsekretär der Akademie.
Um die hochleistungsfähigen Batterie zu entwickeln, hätten die drei Forscher „eine Reihe von chemischen Herausforderungen lösen müssen“, sagte die Jurorin Sara Snogerup Linse vom Nobelkomitee für Chemie. Vor allem „zähmten sie das reaktive Element.“ Damit ist das Lithium gemeint, das leichteste Metall überhaupt. Man könne sehr viele Lithium-Atome in eine Batterie packen, sagte der Nobeljuror Olof Ramström. Dadurch wird es möglich, kleine und leichte Batterien zu bauen. Lithium ist auch sehr reaktionsfreudig. Es gibt leicht sein Elektron ab, was die Leistung der Batterie erhöht. Doch zugleich muss man es zähmen, damit die Batterie nicht zu explosiv ist, um lebensfähig zu sein. Dies gelang den drei Nobelpreisträgern mit Forschungen, die aufeinander aufbauten.
Immer neue Materialien
Der aus Nottingham in England stammende Festkörperchemiker Stanley Whittingham arbeitete in den 1970er-Jahren in den USA an der Entwicklung von Methoden für Technologien, die möglichst ohne fossile Brennstoffe auskommen sollten. Forciert wurde die Forschung durch die damals herrschende Ölkrise.
Whittingham forschte an sogenannten Supraleitern und entdeckte dabei ein extrem energiereiches Material – Titandisulfid. Dessen Kristalle weisen eine Schichtstruktur auf, in deren Zwischenräume Lithium-Ionen eingelagert werden können. Whittingham habe eine „innovative Kathode in einer Lithiumbatterie“ entwickelt, heißt es in der Nobel-Laudatio. Die Batterie hatte ein hohes Potenzial von mehr als zwei Volt.
Einen weiteren Schritt machte John Goodenough, der seit den späten 1970er-Jahren die Anorganische Chemie an der University of Oxford in England leitete und seit 1986 in Texas, USA, arbeitet. Goodenough stellte fest, dass die Kathode der Batterie ein noch größeres Potenzial hätte, wenn man für sie ein Metalloxid verwenden würde, statt eines Metallsulfids. Er entdeckte um 1980, dass das Material Kobaltoxid mit eingelagerten Lithium-Ionen bis zu vier Volt erzeugen kann. „Dies war ein wichtiger Durchbruch, der zu viel leistungsstärkeren Batterien führen sollte“, so die Nobel-Juroren.
Entwicklung für den Markt
Eine Batteriezelle besteht neben der Kathode auch aus einer Anode. Zwischen beiden Elektroden – dem Plus- und Minuspol – wandern die Lithium-Ionen, also die Ladungsträger, hin und her, durch eine Elektrolytschicht. Beide Pole sind zudem mit einer Barriere voneinander getrennt, damit es nicht zum Kurzschluss kommt. Doch die winzigen Lithium-Ionen können diese mikroporöse Trennschicht passieren. Wenn die Batterie aufgeladen wird, wandern die positiv geladenen Lithium-Ionen vom Pluspol zum Minuspol und lagern sich dort ein. Die Batterie ist geladen. Beim Entladen wandern die Lithium-Ionen zurück. Es sei ein Prozess zwischen Verwendung und Wiederaufladen, der Hunderte Male wiederholt werden könne, sagte Sara Snogerup Linse vom Nobelkomitee für Chemie.
Nun ging es darum, die Batterie auch marktfähig zu machen. An dieser Aufgabe arbeitete der dritte Nobelpreisträger, der Japaner Akira Yoshino. Als in Japan der Verkauf von neuen Elektrogeräten wie Videokameras und schnurlosen Telefonen begann, erkannte Yoshino, dass wiederaufbare Batterien bald eine entscheidende Rolle spielen würden. Er arbeitete beim Chemieunternehmen Asahi Kasei und habe lediglich geschaut, wo die Trends hingehen, sagte Yoshino. „Man kann sagen, ich hatte einen guten Riecher.“
Natrium statt Lithium?
1981 machte er sich an die Entwicklung wiederaufladbarer Batterien. Das Problem: Zwar waren die bisher entwickelten Modelle schon sehr leistungsfähig, aber das Lithium noch nicht gezähmt, die Batterie noch nicht lebensfähig. Akira Yoshino löste das Problem. Er verwendete in der Anode, also dem Minuspol, nicht reaktives Lithium, sondern Petrolkoks. Dies ist ein aus Erdöl gewonnenes Material, das hauptsächlich aus Kohlenstoff besteht und ebenfalls Lithium-Ionen einlagern kann. 1983 präsentierte der Japaner einen ersten Prototypen der Lithium-Ionen-Batterie. Er wurde später noch verändert.
Der erste kommerziell erhältliche Lithium-Ionen-Akku wurde 1991 von Sony auf den Markt gebracht und in einer Videokamera eingesetzt.
John Goodenough hat übrigen erst 2017, damals 94 Jahre alt, gemeinsam mit anderen das Konzept für einen neuen Akku vorgestellt, der auf Glas als Elektrolyt basiert und Lithium durch das umweltfreundlichere Natrium ersetzt. Die Entwicklung geht immer weiter.