Impfkonferenz in Berlin: Masern sollen bis 2020 eliminiert werden
Finnland hat es geschafft, Portugal und die Slowakei ebenso. Die Impfmoral ist in diesen Ländern so gut, dass sie die Masern eliminiert haben. In Deutschland hingegen, wo insbesondere in Berlin noch immer einer der stärksten Ausbrüche der vergangenen zwanzig Jahre schwelt, ist man weit davon entfernt, die Infektionskrankheit ausgelöscht zu haben.
Ein Aktionsplan soll die Lage nun ändern. Von den Gesundheitsministern der Länder wurde er bereits angenommen. Die konkrete Umsetzung soll auf einer Nationalen Impfkonferenz besprochen werden, die an diesem Donnerstag in der Berliner Urania beginnt. Zwei Tage lang beraten Experten aus Ärzteschaft, öffentlichem Gesundheitsdienst, Wissenschaft und Politik über Strategien und Handlungsbedarf für die Ausrottung der Masern.
Es sollen alle Register gezogen werden
Die Weltgemeinschaft hat sich nämlich das Ziel gesetzt, die Masern zu eliminieren. In der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte man vor, bis 2015 frei von Masern zu sein. Das wird nicht klappen. Nun ist nach dem Aktionsplan 2020 angepeilt. „Dieses Ziel ist ambitioniert, aber erreichbar, wenn sich alle Akteure dafür einsetzen“, sagt Fabian Feil, der im niedersächsischen Gesundheitsministerium den Bereich Infektionsschutz leitet.
Als masernfrei gilt ein Land, wenn es mindestens drei Jahre lang weniger als einen Masernfall pro eine Million Einwohner hatte und wenn mindestens 95 Prozent der Kinder zweifach gegen Masern geimpft sind. Im vergangenen Jahr lag hierzulande die Zahl der Masernfälle pro eine Million Einwohner bei 5,4. Im Jahr davor, 2013, waren es sogar 21,6. Eine Inzidenz, so das Fachwort, unter 1 gab es hierzulande seit Einführung der mit dem Infektionsschutzgesetz verbundenen Meldepflicht noch nie.
In Berlin erkrankten seit Oktober mehr als 1?200 Menschen an Masern. Im Februar starb ein 18 Monate alter, ungeimpfter Junge an der Infektion. Nun will man bundesweit alle Register ziehen, um den Impfschutz allgemein zu verbessern.
Dabei stehen auch Erwachsene im Mittelpunkt. „Bei Kindern fehlt nicht mehr viel, um Impfquoten von 95 Prozent zu erreichen. Zuletzt wurde 2013 für Deutschland eine Quote 92,6 Prozent ermittelt“, sagt Fabian Feil. Der Aktionsplan sieht vor, dass alle Bundesländer bis Ende 2017 die Quote von 95 Prozent erreichen. Das Problem sind aber eher die jungen Erwachsenen. Das zeigt auch der Ausbruch in Berlin, wo fast die Hälfte der Erkrankten 18 bis 43 Jahre alt waren.
In dieser Altersgruppe gibt es große Impflücken. Das hat damit zu tun, dass erst seit den frühen 70er-Jahren breit gegen Masern geimpft wird. In der DDR wurde der Masernschutz 1970 zur Pflicht. In der Bundesrepublik wird die Impfung seit 1973 empfohlen. In den ersten Jahren impfte man aber nur ein Mal. Erst 1991 wurde eine zweite Impfung im Vorschulalter empfohlen.
Doch die erste Impfung schlägt nur in etwa 90 Prozent der Fälle an. Und bei älteren Kindern erreichen Ärzte nicht mehr so hohe Impfquoten. „Seit 2001 wird nun bereits im zweiten Lebensjahr zur zweiten Impfung geraten. Seitdem bessert sich die Lage deutlich bei den Kindern. Masern-Ausbrüche in Kindergärten oder Schulen sind viel seltener geworden“, sagt Feil.
Guter Impfschutz in der Bevölkerung ist so wichtig, weil Masernviren hochansteckend sind. Vor der Einführung der Impfstoffe erkrankte fast jeder. Wer die Masern durchgemacht hat, ist immun. Dadurch war die natürliche Immunität in der Bevölkerung hoch. „Der Übergang von der natürlichen zur künstlichen Immunität hat nicht gut funktioniert. Es gibt mittlerweile zu viele Menschen, die weder die Masern durchgemacht haben, noch dagegen geimpft sind“, erläutert Feil. Seit fünf Jahren wird daher allen nach 1970 Geborenen eine Masern-Mumps-Röteln-Impfung empfohlen, soweit sie nicht schon zwei Impfungen erhalten haben.
Besorgniserregend viele Kleinkinder in Berlin erkrankt
Diese Empfehlung soll nun verstärkt publik gemacht werden, etwa in Kampagnen. „Schließlich geht es nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch den Schutz der Gemeinschaft – und das große Ziel, die Masern weltweit auszurotten“, sagt Feil. Vor allem die schwächsten der Gemeinschaft, Säuglinge, sind auf breiten Schutz der anderen angewiesen. Normalerweise werden sie erst mit elf Monaten geimpft. Stecken sie sich davor an, ist die Gefahr für lebensgefährliche Komplikationen und Spätfolgen groß.
In Berlin erkrankten seit Oktober 124 Unter-Einjährige an Masern. „Bezogen auf die Gesamtzahl der Kinder dieser Altersgruppe sind das besorgniserregend viele“, sagt Marlen Suckau, Infektionsschutz-Beauftragte der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit. In Berlin setzt man nun alles daran, dass Kinder so früh wie möglich geimpft werden und hat das empfohlene Alter für den ersten Piks zeitweilig auf neun Monate herabgesetzt.
Auch Erwachsene will man verstärkt für das Thema sensibilisieren. „Berlin ist eine Stadt, die viele junge, mobile Leute anzieht“, sagt Suckau. „Vermutlich sind bei uns die Impflücken bei Erwachsenen auch überdurchschnittlich hoch.“