Latinum: Immer Ärger mit den Römern
Eine Gruppe Studierender in Münster hat der lateinischen Sprache den Kampf angesagt. Das Latinum ist an ihrer Hochschule bei mehr als einem Dutzend Fächer Voraussetzung für den Studienabschluss. Anderswo befindet sich die Sprache der alten Römer längst auf verlorenen Posten.
In der Kritik der Münsteraner steckt mehr als der gewöhnliche Katzenjammer, dass Latein eine tote Sprache sei, die man nach dem Studium nie wieder brauchen werde und man deswegen nur für den Schein lerne.
Mit diesen Gedanken schleppen sich Woche für Woche unzählige Studierende in Deutschland zu einem Sprachkurs. Oder sie buchen zähneknirschend einen kostspieligen Crashkurs und verbringen die Semesterferien damit, von morgens bis abends Vokabeln zu büffeln und Traktate zu lesen. Erleichtert sind die, die das Latinum bereits in ihrer Schulzeit erworben haben.
„Wir kennen Studierende, die durch den Latein-Unterricht einen ungeheuren Aufwand haben“, berichtet Tobias Fabinger vom Allgemeinen Studierendenausschuss der Uni Münster. Fabinger sitzt im Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende (Fikus), das einzige seiner Art in Deutschland. Es vertritt beispielsweise die Interessen von Arbeiterkindern an der Hochschule. Das Fikus-Referat hat nun ein Positionspapier veröffentlicht, in dem es auf die Studienhürde Latein aufmerksam macht und seine Abschaffung fordert.
Auslöser sind Änderungen in der Lehrerausbildung an der Uni Münster. Parallel zu bestimmten Fächern müssen Studierende weiterhin Lateinkurse belegen, sollen aber – anders als bisher – keine Leistungspunkte mehr dafür angerechnet bekommen. Das trifft besonders angehende Gymnasiallehrer hart. Denn Zugang zum „Master of Education“ in Anglistik, Französisch, Spanisch, Italienisch, in den christlichen Theologien, Philosophie und Niederlandistik erhält nur, wer das Latinum in der Tasche hat. Ein Uni-Sprecher weist darauf hin, dass man sich nur an die Vorgaben des neuen nordrhein-westfälischen Lehrerausbildunggesetzes halte.
Enorme Belastung
Der studienbegleitende Lateinunterricht stelle eine enorme Belastung dar und führe in vielen Fällen zu einer Verlängerung des Studiums, beklagt Fabinger. Er wirbt um Verständnis für die betroffenen Studierenden. „Kinder, deren Eltern keine Akademiker sind, wissen oft nicht, wie wichtig Latein an der Uni ist“, sagt er. Den Hochschulen wirft Fabinger mangelnde soziale Sensibilität vor. „Sie denken technokratisch.“ Unabhängig davon: In NRW genießt Latein Bestandsschutz.
Schlechter ist es um die gute alte Sprache in anderen Bundesländern bestellt, beispielsweise Niedersachsen. An der Technischen Universität Braunschweig können Latein-Schüler zwar auch keine Leistungspunkte sammeln. Doch müssen das Latinum nur Studierende nachholen, die Geschichte am Gymnasium unterrichten wollen. Aus allen anderen Fächern wurde es verbannt.
„Die Sprachanforderungen sind stark zurückgegangen“, sagt der Braunschweiger Latein-Lehrer Arne Homann. Nicht einmal Historiker müssten noch Lateinkenntnisse vorweisen, wundert sich Homann ein wenig. „Quellen bis ins Jahr 1850 sind lateinische Quellen. Wenn man da keine Ahnung hat, ist man auf Übersetzungen angewiesen“, gibt der Lehrer zu bedenken.
Doch auch Homann weiß nur zu gut um die Anstrengung, die mit dem Lateinunterricht an Unis verbunden ist. An der TU Braunschweig verteilt er sich auf zwei Jahre mit wöchentlich vier Stunden. Seit Bachelor und Master finden die Kurse nur noch abends statt. Der straffe Stundenplan der Studierenden lasse es nicht anders zu, bedauert Homann.