Piscataway-Galaxien, die mehr als eine Million Lichtjahre voneinander entfernt sind, sollten sich insbesondere in Hinblick auf die Entstehung neuer Sterne völlig unabhängig voneinander entwickeln. Doch drei Dutzend Zwerggalaxien, deren Abstände sogar bis zu 13 Millionen Lichtjahre betragen, haben zeitgleich einen Baby-Boom der Sternentstehung durchlaufen. Zu diesem überraschenden Befund kommt jetzt ein Team US-amerikanischer Forscher. Für eine derartige simultane Entwicklung gäbe es bislang keine Erklärung, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt Astrophysical Journal.
Sternentstehung stoppte und startete nahezu gleichzeitig
„Scheinbar reagieren diese Galaxien auf eine großräumige Veränderung ihrer Umgebung“, sagt Charlotte Olsen von der Rutgers University im US-Bundesstaat New Jersey. Und ihr Kollege Eric Gawiser ergänzt: „Ganz unabhängig davon, ob die Galaxien zueinander benachbart sind oder nicht – die Entstehung neuer Sterne stoppte und startete jeweils nahezu gleichzeitig, als ob sie durch ein extragalaktisches soziales Netzwerk beeinflusst wurde.“ Gawiser, Olsen und ihre Kollegen verglichen insgesamt 36 Zwerggalaxien aus der Umgebung unserer Milchstraße miteinander.
Um die Entwicklung von Galaxien zu verstehen, müssen Astrophysiker eine Vielzahl von Prozessen berücksichtigen, die sich unter anderem in der Sternentstehungsrate widerspiegeln. Die Geburtsrate von Sternen kann beispielsweise durch nahe Vorübergänge von Galaxien oder gar durch Zusammenstöße und Verschmelzungen ansteigen. Und ein Verlust an Gas – etwa durch starke Strahlung – kann die Entstehung von Sternen zum Erliegen bringen. Zwerggalaxien eignen sich besonders gut zur Untersuchung solcher Vorgänge, da sie besonders empfindlich auf Einflüsse aus der Umgebung reagieren.
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Das Astronomen-Team leitete die zeitliche Entwicklung der Sternentstehungsrate mit zwei unabhängigen Verfahren aus spektralen Daten der Systeme ab. Beide Verfahren lieferten identische Ergebnisse: Alle untersuchten Zwerggalaxien zeigten vor drei bis sechs Milliarden Jahre eine ruhige Phase, in der nur wenig neue Sterne entstanden. Doch vor drei Milliarden Jahren setzte eine Ära mit hoher Sternentstehungsrate ein, die bis heute anhält. Dieses Ergebnis ist angesichts der Entfernungen zwischen den Zwerggalaxien und ihrer damit unterschiedlichen lokalen Einflüsse eine Überraschung.
Modelle der Galaxienentwicklung müssen möglicherweise verändert werden
„Bislang wissen wir nicht, was diese Entdeckung bedeutet“, sagt Gawiser. „Es bleibt abzuwarten, wie sehr unsere derzeitigen Modelle der Galaxienentwicklung verändert werden müssen, um diese Überraschung zu verstehen. Wenn wir feststellen, dass sich unsere Entdeckung nicht im Rahmen des derzeitigen kosmologischen Standardmodells erklären lässt, hat das natürlich gewaltige Konsequenzen für die Forschung.“ Auf jeden Fall motiviere die Entdeckung der synchronen Sternentstehung dazu, die Geschichte der Galaxien in der Umgebung der Milchstraße mit weiteren Methoden noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen.