Berlin-Wenn wie jetzt bundesweit die Ferien zu Ende gehen, wird es auf Deutschlands Autobahnen besonders eng. Aber auch manchen Innenstädten könnte bald der Verkehrsinfarkt drohen. Ein Problem dabei: Viele Menschen, die ihre Fahrstrecke per Navi oder Straßen-App berechnen lassen, orientieren sich nur an der für sie als optimal dargestellten Route. Tun das Hunderte gleichzeitig, können auch alternative Wege schnell verstopfen. Der Stau neben dem Stau.
„Wir wollen den Verkehr reparieren“, sagt Sebastian Heise. Das mag ein wenig pathetisch klingen. Doch der Mitgründer der hannoverschen Firma Graphmasters hat mit Kollegen einen Ansatz entwickelt, der zumindest zu einem deutlichen Abbau von Engpässen beitragen könnte.
Es geht um eine Technologie, die die Streckenpläne aller angeschlossenen Kunden laufend abgleicht. Ein solches dynamisches Routing hat während der Fahrt ständig alle individuellen Vorschläge sowie mehrere Verkehrsmodelle im Blick – bei Bedarf wird in Echtzeit nachjustiert, Voraussagen und reale Lage beziehen sich aufeinander. Das Verfahren, das im Hintergrund wirkt, lernt zudem dazu. Die Grundidee: Künstliche Intelligenz (KI) statt starrer Algorithmen im Verkehr nutzbar machen.

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Heise sieht herkömmliche Methoden, die wir aus Radio wie Internet kennen, am Limit: „Nicht die Prognosen an sich sind das Problem. Aber die Reaktionen der Verkehrsteilnehmer auf die Prognosen. Es fehlen sinnvolle Handlungsempfehlungen.“ Nicht allein wie viel Verkehr entstehe, sei relevant - ebenso, wie man die vorhandene Verkehrslast organisiere. „So kann ich am Ende auch deutlich mehr Emissionen einsparen“, meint Heise.
Kernstück ist die Plattform NUNAV. Über Cloud-Computing kann sie pro Minute bis zu 24.000 Routenpläne anpassen – auf Basis von rund eineinhalb Millionen Rohdaten. Medieninformatiker Heise erläutert das System anhand mehrerer Diagramme. Eines zeigt eine riesige Punktwolke, die Verkehrsfluss – Fahrzeuge pro Minute – und gemessene Fahrgeschwindigkeit auf einem dreispurigen Autobahn-Teilstück ins Verhältnis setzt. Ein anderes gibt die Verbindung von Verkehrsdichte – Fahrzeuge pro Kilometer – und Tempo wieder. In beiden Fällen sieht man, dass Kombinationen nur dieser Werte einen beträchtlichen Einfluss auf die Bildung möglicher Staus haben können.
Für jeden Einzelnen eine optimale und dabei die Pläne Anderer nicht gefährdende Route zu erarbeiten, erfordert enorme Rechenleistung. „Wir haben das mittlerweile an externe Dienstleister vergeben“, so Heise. Das Ergebnis zweier Simulationen zeigt er auf einem anderen Schirm: Ohne dynamische Führung sammeln sich Autos alsbald an neuralgischen Punkten auf der digitalen Karte – bei Nutzung weniger Hauptstrecken passiert das selbst in einer Megacity vergleichsweise rasch. Mit KI ergeben sich dagegen deutlich weniger rote Problemzonen in der Animation.