Trend Kidfluencer: Kinder werben in den Social-Media-Kanälen im Internet für zehntausende Dollar

Sie lächelt keck und hält ein Snickers in die Kamera. Sie präsentiert ihre lackierten Fingernägel. Sie posiert vor einem rosa Kinderfahrrad. Und sie zeigt stolz ihr lila Adidas-Shirt. Samia Ali ist gerade einmal vier Jahre alt und hat schon 140.000 Follower auf Instagram. Ihren eigenen YouTube-Kanal „SamiasLife“ haben mehr als 200.000 Nutzer abonniert. Samia kann noch nicht posten, doch im Netz ist sie bereits ein Star.

Samia Ali kann nicht posten, ist aber ein Internet-Star

Das afroamerikanische Mädchen mit den süßen Dreadlocks entstammt einer Influencer-Familie (ja, solche Sozialisationen gibt es heute): Ihre Eltern Adam und LaToya Ali sind ebenfalls Influencer. Samias Leben wurde mit der Schwangerschaft der Mutter in der Netzöffentlichkeit ausgebreitet, von ihrer Geburt gibt es ein YouTube-Video aus dem Kreißsaal, das über viereinhalb Millionen Mal angeklickt wurde. „Sie ist in Social Media hineingeboren worden“, sagt ihr Vater Adam. Samias vierter Geburtstag wurde auf dem Familienkanal LaToya’s Life als mediales Massenereignis inszeniert: Sie wurde mit knallbunten Geschenken überhäuft, bei denen es sich fast ausschließlich um Werbeprodukte handelte.

Kidfluencer - Trendsetter im Kindesalter

Schwangerschaftstest, Friseurbesuch, Urlaub – in der Familie bleibt offensichtlich nichts privat. Die öffentliche Nabelschau erinnert ein wenig an das Reality-TV-Format „Die Geissens – Eine schrecklich glamouröse Familie“, nur eben nicht im Fernsehen, sondern im Netz – also dort, wo man die werberelevante Zielgruppe direkt abholen kann. Der größte Kinderstar ist in den USA der siebenjährige Ryan. Im vergangenen Jahr soll er 22 Millionen Dollar verdient haben, schätzte das Wirtschaftsmagazin Forbes.

45.000 Dollar für ein gesponsertes YouTube-Video

Kidfluencer nennt man diese Trendsetter im Kindesalter, die in der Werbebranche als der nächste heiße Schrei gelten. Warenhausketten wie Walmart oder Staples sowie der Spielzeughersteller Mattel reißen sich um die Kinderstars. Laut einem Bericht der New York Times kassiert Kyler Fisher, ein Vater von Zwillingen, zwischen 10.000 und 20.000 Dollar für einen Sponsored-Post auf Instagram. Für ein gesponsertes YouTube-Video gibt es bis zu 45.000 Dollar. Kein schlechtes Honorar dafür, dass die zweieiigen Zwillinge ein Markenprodukt in die Kamera halten oder dasselbe Kleidchen tragen. Die Anzeigenkunden profitieren von der großen Reichweite: Dem Instagram-Account der blonden Mädchen folgen zwei Millionen Menschen. Unter den Followern sind viele junge oder werdende Eltern, die sich beim Kauf von Baby- oder Kinderprodukten Inspirationen holen. 

Kinder spielen für die Konzerne eine zentrale Rolle

Sponsored-Posts sind ein boomendes Geschäft. Laut der Agentur Mediakix werden Markenhersteller im kommenden Jahr fünf bis zehn Milliarden Dollar für Influencer-Marketing ausgeben. Zum Vergleich: 2015 lag das Marktvolumen bei 500 Millionen Dollar. Kinder spielen in der Vermarktungsstrategie von Konzernen eine zentrale Rolle. Kritiker monieren jedoch, dass Kinder von ihren Eltern als Werbeträger instrumentalisiert werden. Die Kinder werden zu öffentlichen Personen, ohne sich bewusst dazu entschieden zu haben. Und vielleicht bereuen sie später ihren Kindesruhm und fallen in Depressionen – so wie der Schauspieler Macaulay Culkin, der 1991 in der Komödie „Kevin – Allein zu Haus“ zum Kinderstar wurde und später in tiefe Alkohol- und Drogenprobleme stürzte. Entsprechend seltsam wirkt es, wenn die Instagram-Mum Katie Bower sagt, sie werde ihren Zwillingen erst im Teenager-Alter den Zugang zu den Accounts gewähren, um sie zu schützen. „Ich möchte, dass sie Kinder sind, spielen und lernen anstatt sich um Social Media zu sorgen.“

In Deutschland beobachten Organisationen wie das Kinderhilfswerk, was in diesem Bereich passiert. Die ARD-Sendung „ttt“ hat neulich junge Kinderstars wie die zwölfjährige Ilia vorgestellt, deren Eltern jeden Sonntag ein neues Video hochladen. Viel Zeit für ihre Freundinnen bleibe wegen der Drehtermine am Wochenende nicht. „Ich muss meistens absagen“, sagte das Mädchen.

Schülerin verklaqte schamlose Eltern

In einem anderen Beispiel wurde über die Familie der jungen Miley berichtet, deren Eltern ihre Stellen gekündigt haben, um sich auf die Arbeit mit ihrer Tochter zu konzentrieren. Was all das mit einem Kind mache, wurde Luise Meergans vom Kinderschutzbund gefragt. „Ich kann nur mutmaßen, ob wir hier an einen Punkt kommen, wo Selbstinzinierung ungesund wird“, sagte sie und erinnerte an die Gesetzeslage. Da gehe es um seelische und körperliche Unversehrtheit, die das Kind benötige, um sicher aufzuwachsen. 

In Österreich hat der Trend dazu geführt, dass eine Tochter ihre Eltern verklagte. „Sie kannten keine Scham und keine Grenze. Ob ich auf dem Töpfchen saß oder nackt im Kinderbettchen lag“, sagte die Schülerin aus Kärnten der Zeitschrift Die ganze Woche, ihre Eltern wollten das vor drei Jahren bei Facebook unbedingt mitteilen.