Virtual Reality: Zeitreise im Museum
Wie prachtvoll, leuchtend und hoch dieses Tor ist. Die blau glasierten Lehmziegel glänzen im Sonnenlicht. Der Besucher steht nicht vor einem Nachbau des babylonischen Ischtar-Tors im Museum, sondern er blickt mithilfe einer Virtual-Reality-Brille auf ein digitales Modell. Im Irak, im 6. Jahrhundert vor Christus und bei bestem Wetter.
Der Besucher kann sich an verschiedenen Orten des Modells umsehen – zum Beispiel auf der oberen Ebene des Tors, wo früher die Wachen standen. Wie das funktioniert, erklärt Markus Hilgert, der Direktor des Vorderasiatischen Museums. Am Ende der Prozessionsstraße sieht sich der Besucher im Schatten einer Palme, deren Blätter im Wind wackeln. Solche Visualisierungen und auch individualisierte Apps wollen Museen 2025 nutzen, um Wissen besser vermitteln und den Besuchern ein besonderes Erlebnis verschaffen zu können.
Das virtuelle Modell des Ischtar-Tors könnte auch mit einem Computerspiel verknüpft werden, das man künftig im Museum spielt. Markus Hilgert hat viele Ideen, wie digitale Möglichkeiten genutzt werden könnten. Er leitet das Zentrum für digitale Kulturgüter bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Nun koordiniert er das neue Projekt „Museum4punkt0“, das vom Bund mit 15 Millionen Euro gefördert wird – und neuartige Vermittlungsformen entwickeln und testen wird.
Eine Geldfrage und eine Platzfrage
Auch Christian Malterer ist überzeugt, dass künftig digitale Anwendungen in Museen und Galerien verstärkt genutzt werden – doch der Einsatz von Virtual Reality (VR) wird ein ganz anderer sein. „Derzeit ist VR aufwendig, kostspielig und man benötigt Brillen, die ja auch in Schuss gehalten werden müssen“, sagt der Fachbereichsleiter für Digital Film Design an der Mediadesign Hochschule in Berlin.
„Niemand, der Virtual Reality betreibt, möchte diese Interimstechnologie im Jahr 2025 noch nutzen. Die Systeme werden sich daran messen müssen, wie einfach der Zugang für die Menschen sein wird.“ Das sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch des Platzes: Wer könne schon in seiner Wohnung mehrere Quadratmeter freiräumen? Auch für Museen müsste eine Lösung gefunden werden. Besonders, wenn man mit virtuellen Personen interagieren möchte. Und das haben Markus Hilgert und seine Kollegen vor.
Doch schon das Programmieren des virtuellen Ischtar-Tors und der Prozessionsstraße sei sehr aufwendig gewesen, wie der Alt-Orientalist sagt. Sein Mitarbeiter beschäftigt sich seit Februar mit der Visualisierung. Der Besucher des virtuellen Modells kann sich in einem kleinen Radius bewegen und an verschiedene Orte schieben lassen. Dabei ist er alleine. „Wir wollen auf die Straße noch Menschen bringen, aber die muss man alle programmieren“, sagt Hilgert. „Es gibt zwar schon vorgebaute animierte Menschen, aber keine aus der babylonischen Zeit.“
Man ist der Realität komplett entzogen
Nicht nur mit virtuellen Menschen soll man künftig in der Virtual Reality interagieren können, sondern auch mit Freunden und Bekannten, wie Wissenschaftler Christian Malterer sagt. „Doch man muss erst noch weiter untersuchen, wie sich Menschen in der VR verhalten“, sagt der Forscher. „Die Situation in öffentlichen Einrichtungen ist noch eine andere als zu Hause. Denn durch die Virtual Reality und das Tragen einer Brille ist man der Realität komplett entzogen und bekommt von seiner Umgebung nichts mit.
Was macht das mit der Person, die ja in einem Museum von komplett fremden Menschen umgeben ist?“ Malterer vermutet, dass es künftig eher Brillen geben wird, durch die der Betrachter seine Umgebung noch sieht – auf diese Weise ist der Verlust der Realität nicht so stark. Für ihn ist deshalb Augmented Reality beziehungsweise Mixed Reality wahrscheinlicher, also eine Kombination aus realer und künstlicher Welt.
„Derzeit ist diese Technologie besser aufgestellt, und es gibt sehr viele sinnvolle Beispiele, wie von Microsoft demonstriert wurde.“ Eine begrenzte Virtual Reality sei aber auch eine gute Möglichkeit. Beispielsweise könnte ein Raum im Museum als Projektionsfläche genutzt werden, so wäre keine Brille erforderlich.
Doch nicht nur Augmented und Virtual Reality sollen eine größere Rolle spielen, sondern auch der Einsatz von Smartphones. Markus Hilgert vom Vorderasiatischen Museum und seine Kollegen haben eine App entwickelt, mithilfe derer man Ausstellungsobjekte in 3D sehen kann, den Fundort auf einer Landkarte und Informationen zum ungefähren Alter angezeigt bekommt. In Ausstellungen soll man diese Daten künftig abrufen können – aufbereitet für den jeweiligen Nutzer, also zum als Beispiel gesonderte Angebote für Kinder.
Datenschutz für Besucher
Der Museumsdirektor sieht die Entwicklung der Smart City, also einer vernetzten Stadt, im Jahr 2025 schon weit entwickelt. „Gut vorstellbar ist eine App, die die kulturellen Interessen des Nutzers kennt, wie zum Beispiel Militärgeschichte. Würde dann ein Tourist nach Berlin kommen, bekäme er Vorschläge für eine auf ihn zugeschnittene Museumstour“, erklärt Hilgert.
Zudem würden auch mehr Sensoren in öffentlichen Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen verwendet, die zum Beispiel Besucherzahlen erfassen. „Ist dann ein Tourist mit der besagten App auf der Museumsinsel unterwegs, würde er aktuelle Meldungen über die Auslastung in den anderen Museen bekommen und alternative Vorschläge.“ Mit der Erfassung von Besucherzahlen und dem Abgreifen individueller Daten ergibt sich ein Problem: der Datenschutz. Welche Informationen werden von welchen Programmen genutzt und wo gespeichert?
Malterer erwartet, dass diese rechtlichen Fragen in den nächsten Jahren geklärt werden – auch jene, die die Werke in Museen betreffen. Wer darf sie nutzen oder gar virtuell verändern? Sicher ist sowohl für Hilgert als auch für Malterer, dass Museen und Galerien durch die digitalen Möglichkeiten bereichert, aber nicht ersetzt werden.
„Wir wollen den Besuchern Angebote machen, die sie ohne den Aufenthalt im Museum nicht gehabt hätten“, so Hilgert. Auch Malterer würde nicht raten, sich Gemälde nur am PC anzusehen. „Die Bilder von Velázquez in seiner spanischen Heimat im Original zu sehen, ist etwas völlig anderes als die Bilder im Internet. Das ist durch kein digitales Bild zu ersetzen.“