Website 4Chan: Die Schaltstelle der rechten Trolle im Netz

Auf der Facebook-Seite der Jungen Alternativen, der Nachwuchsorganisation der AfD, taucht regelmäßig ein krakeliges Bild von einem grinsenden Frosch auf, der vor einem Drahtzaun Kaffee trinkt. Hinter dem Zaun ist eine Frau mit Burka und Kind auf dem Arm zu sehen, neben ihr ein Mann mit langem Islamistenbart. Daneben der Slogan „Kein Zaun ist illegal“.

Der unvoreingenommene Betrachter könnte die schadenfrohe Zeichnung schlicht für eine fiese Kritzelei halten. Aber tatsächlich handelt es sich um ein komplexes Bild voller Bezüge und Metaebenen. Mit solchen, nur von Insidern zu dekodierenden Bildern haben während der US-Wahl rechte Internet-Trolle den Wahlkampf von Donald Trump unterstützt. Die Junge Alternative überträgt diese Methode nun nach Deutschland.

Lernen von Trump

Um zu verstehen, was der blaue Frosch bedeutet, muss man die Trollkultur kennen, die sich im Internet entwickelt hat. Und man muss wissen, wie die Troll-Szene, die sich ursprünglich die Zeit mit apolitischen Provokationen im Netz vertrieb, inzwischen von überzeugten Rechtsradikalen gekapert und zu einem Propaganda-Apparat der „Alt.Right“-Bewegung in den USA geworden ist. Die „Alt.Right“-Bewegung ist von rechten Hetzern wie dem White-Supremacy-Aktivisten Richard Spencer begründet worden und will unter anderem „die Hierarchie der Rassen“ wiederherstellen. Um einen „weißen Genozid“ durch Migration zu verhindern, müsse die USA ein segregierter „Ethno-Staat“ werden.

Manga-Pornos, Ekelbilder

Das Trollen ist eine Praxis, die fast so alt ist wie das Internet und ursprünglich mit Politik nichts zu tun hatte. Trolle wollen online nerven und verhalten sich darum im Schutz der Netzanonymität so asozial wie möglich. Schon vor der Entstehung des World Wide Web Mitte der 90er-Jahre gab es in den Diskussionsforen des Internet Teilnehmer, denen es vor allem darum ging, ihre Gesprächspartner durch unsachliche oder gehässige Einlassungen auf die Palme zu bringen. Seit 2003 ist die Website 4chan.org zur wichtigsten Schaltstelle des globalen Internet-Trolltums geworden. Ohne Namensnennung kann man hier provokantes und abstoßendes Material veröffentlichen, das im rasenden Tempo von immer neuen Postings abgelöst wird. So entstand zunächst eine Art „Unterbewusstsein des Internets“, wo alles landete, was auf den sauber gehaltenen Seiten von Facebook oder Youtube immer schneller und gründlicher gelöscht wurde.

Neben Manga-Pornographie und Ekelbildern kursieren hier auch witzige Memes, die durch das ganze Internet weitergereicht werden. In diesem Klima gedieh ein Humor, der sich an allem, das „so schlecht ist, dass es schon wieder gut ist“, ergötzte – so wie der hingekrakelte „Pepe the Frog“, eigentlich der Held eines Webcomics, der hier „for the lulz“ (Ausdruck des speziellen Troll-Humors) ausgeschlachtet wurde.

Rassistische, homophobe und frauenfeindliche Inhalte

Auch die selbsternannte Netzguerilla Anonymous hat ihre Ursprung bei 4Chan, wo eben nur anonym („anonymous“) gepostet werden kann. Konnte man die politische Agenda dieser Gruppe bei allem Verbalradikalismus noch für im weitesten Sinne progressiv halten – Anonymous führte Aktionen gegen Scientology und Internetzensur durch – so hat sich der politische Wind bei 4Chan in der letzten Zeit gedreht.

Es mag zunächst nur eine weitere Methode der Provokation gewesen sein, andere – oder auch sich selbst – als „Niggers“ oder „Fags“ (ein abschätziger Begrifff für Homosexuelle) zu bezeichnen. Aber in dem /pol/-Bereich von 4Chan, auf dem „politisch unkorrekt“ diskutiert werden soll, machten sich zunehmend Stimmen breit, die einfach nur rassistisch, frauen- und schwulenfeindlich und ohne eine Spur von Ironie ihre Ansichten heraus posaunten.

Das Abdriften nach Rechtsaußen bei 4Chan verlief parallel zum Aufstieg von Donald Trump vom politischen Einzelkämpfer zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei. Die Trolle der USA hatten ihren Kandidaten gefunden. Seine Großmäuligkeit und seine Xenophobie, sein kompletter Mangel an Takt und seine ostentative Verachtung für demokratische Spielregeln und seine politischen Gegner machten ihn zum idealen Kandidaten für eine Internet-Szene mit dem gemeinsamen Ziel, sich in Sachen Geschmacklosigkeit und Niveaulosigkeit gegenseitig zu unterbieten. Und damit nicht genug: Die Grimassen, die Trump bei seinen Reden und Wahlkampfauftritten schnitt, machten ihn zu einer nie versiegenden Quelle von Motiven für GIF-Animationen. Nach seinem Wahlsieg kommentierte ein 4Chan-Teilnehmer: „Wir haben ein Meme zum Präsidenten gemacht.“

Als Frosch verkleidet

So entstand 2016 eine neue politische Szene mit eigenem Jargon, eigenen Symbolen und eigenen Kampfruf (dem Nonsense-Schrei „Reeeeeee!“). Ihr Symbol: der ehemals unpolitische Comic-Frosch Pepe, der plötzlich mit Hitler-Schnauzbart oder Trumpscher Föhnwelle aus dem Internet grüßte und dem rassistische Sprüche über Mexikaner oder das Lob der Grenzmauer zu Mexiko in den Mund gelegt wurden. Bei Treffen der „Alt.Right“-Anhänger erschienen Teilnehmer als Frosch verkleidet.

Das beschriebene Bild von der Facebook-Seite der Jungen Alternative kopiert solche Methoden der politischen Polarisierung. Pepe ist jetzt blau, die Farbe der AfD, und statt über die Trumpsche Mauer an der mexikanischen Grenze freut er sich nun über Zäune an der EU-Außengrenze; der Slogan „Kein Zaun ist illegal“ persifliert den linken Slogan „Kein Mensch ist illegal“. Wer sich durch die Profilbilder der Jungen Alternative klickt, findet weitere Motive, die als Memes rechtes Gedankengut durchs Netz transportieren sollen. Auch die Mutterpartei orientiert sich an dem Trend.