Wenn zwei Parteien streiten, muss Google nichts tun
Die Frage stellt sich immer wieder: Wann müssen Beiträge im Netz gelöscht werden? Nur in ganz besonderen Fällen, urteilte der Bundesgerichtshof.

Karlsruhe-In einem Streitfall um die Auslegung des „Rechts auf Vergessenwerden“ hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Montag die Klage eines ehemaligen Geschäftsführers einer Wohlfahrtorganisation gegen den Internetkonzern Google abgewiesen. Der Suchmaschinenbetreiber sei nicht dazu verpflichtet, Links zu Presseberichten über den Kläger in Verbindung mit einem finanziellen Verlust der Organisation zu löschen, urteilte der BGH. (Az. VI ZR 405/18).
Die Anwendung des Rechts auf Vergessenwerden sei in jedem konkreten Einzelfall gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesverfassungsgerichts stets an eine Abwägung von widerstreitenden Grundrechten geknüpft, erklärten die Richter. Die Grundrechte des Klägers hätten dabei gegen die Interessen der Nutzer der Suchmaschine, der Öffentlichkeit sowie der für die fraglichen Artikel verantwortlichen Presseorgane zurückzutreten.
Dabei komme der sogenannten fortdauernden Rechtmäßigkeit der von Google in den Internetsuchergebnissen angezeigten Berichterstattung eine entscheidende Bedeutung zu, ergänzte der BGH. Mit seinem Urteil bestätigte er die Entscheidungen der Vorinstanzen und verwarf die Revision des Klägers. Über diesen hatte die Presse laut Gericht 2011 bei voller Namensnennung im Zusammenhang mit finanziellen Defiziten bei einem Regionalverband der Organisation berichtet.
Johannes Kreile, Partner bei der Kanzlei Noerr und Mitglied der Praxisgruppe Digital Business, sagte: „Das Recht des Suchmaschinenbetreibers auf freie Meinungsäußerung und Information bewerteten die Richter höher als das Recht des Geschäftsführers auf Vergessenwerden, auch wenn seitdem fast zehn Jahre vergangen sind. Damit hat der BGH in diesem Fall für Rechtssicherheit gesorgt.“
In einem zweiten Rechtsstreit um die Löschung von Suchergebnissen gegen Google setzte der BGH seine Entscheidung am Montag aus und verwies den Fall zur Vorabklärung von damit verbundenen Fragen an den EuGH. (Az VI ZR 476/18) Dabei ging es um Klagen von zwei Verantwortlichen von Finanzdienstleistungsgesellschaften. Diese waren unter anderem mit Fotos in Berichten auf der Internetseite einer US-Firma erwähnt worden, die deren Anlagemodelle kritisch hinterfragte. Die Kläger wurden nach eigenen Angaben von dieser erpresst.
Auch in diesem Fall scheiterten die Kläger in den Vorinstanzen mit dem Versuch, Google zur Löschung der Suchmaschinentreffer auf die Berichte zu zwingen. Der Internetkonzern berief sich darauf, den Wahrheitsgehalt der strittigen Berichte nicht beurteilten zu können.
Der BGH entschied nun, den EuGH vorab um die Klärung des Vorgehens in solchen Konstellationen aus Sicht des EU-Rechts zu bitten. Dabei geht es etwa um die Frage, ob in Fällen, in denen Parteien über den Wahrheitsgehalt bestimmter Werturteile oder Tatsachenbehauptungen streiten, eine Seite eine einstweilige Verfügung erwirken und damit eine vorläufige Klärung herbeiführen könne.