Wohnzimmer-Workout als Gefahr für Fitnessstudios

Digitale Angebote machen der Branche zu schaffen. Die Studios müssen sich neu erfinden, sagen Experten. Wie können Apps dabei helfen?

Auch zu Hause lässt sich an Yoga-Stunden teilnehmen, das haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt.
Auch zu Hause lässt sich an Yoga-Stunden teilnehmen, das haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt.Imago/Panthermedia

Berlin-Neidische Blicke auf den Bizeps gibt es im eigenen Wohnzimmer eher selten. Abgesehen davon lässt sich zu Hause aber recht gut Sport treiben, wie viele Menschen jüngst festgestellt haben – Kleinhanteln, Yoga-Matten und Millionen von Video-Workouts sei Dank. Auch Bewegung an der frischen Luft hat zahlreiche neue Fans gefunden, als die Fitnessstudios geschlossen blieben. Was zunehmend die Frage aufwirft: Kann die gute alte Muckibude das überleben?

Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage, für die der Deutsche Industrieverband für Fitness und Gesundheit (DIFG) im Mai rund 1000 Fitnessstudio-Mitglieder befragen ließ, dürften Betreibern nicht gefallen: Jeder Fünfte gab an, in Zukunft das Fitnessstudio seltener als vor der Krise besuchen zu wollen – oder sogar gar nicht mehr. Gleichzeitig müssen die Studioinhaber die Folgen der Corona-Zwangspause kompensieren. Beiträge müssen in späteren Monaten gutgeschrieben werden, verpasste Neumitgliedschaften schlagen zu Buche. Die Branche rechnet zum Jahresende mit zehn Prozent weniger Mitgliedern als zum Ende des Vorjahres.

„Das Fitnessstudio muss sich neu aufstellen“, sagt der DIFG-Vorsitzende Ralph Scholz. Gefragt sei eine Mischung aus stationärem Training und Online-Kursen für zu Hause und am besten noch Angeboten für draußen. Die Herausforderung werde sein, „das in einen Mitgliedsbeitrag zu pressen“.

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Etwas leichter könnten sich damit jene tun, die bereits vor der Krise auf ungewöhnliche Mitgliedschaftsmodelle setzten. Apps wie ClassPass oder Urban Sports Club geben ihren Mitgliedern für einen festen Monatsbeitrag eine große Auswahl verschiedener Sportangebote: Ob Schwimmbad, Yoga-Studio, Pumpen oder Tanzkurs – die Studios erhalten vom App-Anbieter einen bestimmten Betrag, je nachdem welches Angebot der Kunde über die Fitness-App nutzt.

Schnell stellten sich diese Unternehmen daher auf Online-Betrieb um, als die Krise hereinbrach. Sie boten den Studios an, ihre Kurse zu streamen und die Teilnahme weiterhin über die App zu ermöglichen. Obwohl die Studios mittlerweile wieder geöffnet haben, ist Urban-Sports-Club-Mitgründer Moritz Kreppel sicher: „Die Online-Angebote sind da, um zu bleiben. Eine Kombination von Online und Offline macht absolut Sinn. Die Flexibilität, beides nutzen zu können, ist extrem wichtig.“ Manchen sei es wichtig, nach dem Yoga-Kurs mit Trainer oder Teilnehmern einen Tee zu trinken und in anderen Fällen zu Hause schnell und flexibel mitmachen zu können.

Im Internet konkurrieren die live gestreamten Kurse aus dem Studio um die Ecke allerdings mit zahlreichen vorproduzierten Fitnessvideos von YouTubern, Bloggern oder größeren Unternehmen. Auch Kreppel vom Urban Sports Club will On-Demand-Inhalte für die Zukunft nicht ausschließen. Für das kleine, inhaberbetriebene Fitnessstudio dürfte es schwer werden, mitzuhalten, selbst wenn es sich um einen Online-Offline-Mix bemüht. Ralph Scholz geht davon aus, dass neue Dienstleister entstehen, die Betreibern dabei unter die Arme greifen.