Zum 100. Geburtstag des "naiven" Malers Albert Ebert: Halle und Berlin erinnern an ihn: Der Rousseau von der Saale
Von Albert Ebert, dem Mauersohn und einstigen Heizer der Hallenser Kunsthochschule Burg Giebichenstein hieß es später - als er berühmt, aber schon tot war - er sei der "deutsche Rousseau". Der Vergleich mit dem französischen Zöllner, jenem legendären naiven Maler Ende des 19. Jahrhunderts, der mit 42 die Uniform ablegte, um als "Grenzgänger zur Moderne" aufzusteigen, hätte ihn eh nur verwirrt.Ebert war 50, als man seine Bilder kaufte und ihm - von Halle bis Berlin (auch bei der Berliner Zeitung) - Ausstellungen ausrichtete. Das war 1956. Die Wahlverwandtschaft zu Rousseau ist nicht zu übersehen. Aber die Theorien der Kunsthistoriker waren Ebert ziemlich fremd. Ihn interessierten die Alltagsmotive ringsum.Er malte am liebsten die Feste, wie sie fielen: Hochzeit und Beerdigung, Taufe und Kirmes, Fasching und Kinderfest. So erfüllte er sich Kindheitswünsche, auch Tagträume. Er malte sich jenes irdische Paradies, das ihm an der Ostfront und in russischer Gefangenschaft vorgeschwebt hatte - Märchenstunden am Ofen, geschmückte Pferde und Wagen, Blaskapellen, halb nackte Mädchen hinter Tüllgardinen und vor Spiegeln, Zirkuszelte, Jahrmärkte, sogar eine HO-Kneipe mit Friedensplakat füllen die kleinen Formate mit Lust auf Leben.In Eberts Heimatstadt Halle und in der Akademie der Künste Berlin wird ab heute an diesen Maler, der 1976 starb, erinnert. An einen, der in keinen kunsthistorischen Schubkasten passt, der es 40-jährig noch mit einem Studium an der Burg Giebichenstein versucht hatte, dem aber sein Lehrer Carl Crodel nichts beibringen konnte.Vor allem nicht das, was in jenen Jahren gefordert war: das Bild vom "neuen Menschen". Eberts erotische Frauenakte und Alltagsszenen oder auch die Motive aus der Bibel - er bevorzugte die Wunder - entsprachen nicht dem Sozialistischen Realismus. So bekam er keinen Fuß in den staatlichen Kunstbetrieb. Lediglich Freunde sammelten seine Bilder, etwa die jungen Schriftsteller Christa und Gerhard Wolf.Um mit der Familie zu überleben, nahm er die Heizerstelle auf der Burg Giebichenstein an, wo er kurz zuvor noch drei Semester zugebracht hatte. Davon ahnten jene Studenten nichts, die bei Kälte zu ihm hinunterstiegen, weil sie wussten, eine Flasche Kartoffelschnaps stand immer bereit. Sie sahen, dass er da unten malte, beim Schein der Sicherheitslampen, mit dünnem Dachshaarpinsel, Zentimeter für Zentimeter, nächtelang. Der Bildaufbau der Miniaturen ist voller Spannung, die Präzision der Motive, die feierlichen Farben scheinen an Alten Meistern geschult. Eberts Bilder - mit ihrem Witz, ihrer Erotik, ihren fröhlichen Botschaften - wussten nichts vom Zeitgeist.Im April 1956 malte Ebert sich zum Fünfzigsten "Heizers Geburtstagsständchen", mit Chor und Trompetenengeln. Kurz darauf kaufte das Städelsche Kunstinstitut Frankfurt am Main das Bild. Der damalige Museumsdirektor Klaus Gallwitz war es auch, der Eberts Kunst zum "Tafelsilber" der DDR zählte, "zum originellen künstlerischen Inventar". Nun musste die Kulturpolitik reagieren: Bald darauf bestellte die Nationalgalerie Berlin die zweite Fassung von "Heizers Geburtstagsständchen" und Ebert malte in die offene Ofenklappe das Spitzbart-Konterfei Ulbrichts, was alle sahen, aber keiner aussprach; die bewitzelte Person erfuhr es nie, und so ist Ebert nichts passiert.Zuvor hatte er schon einmal ein Bild an "Offizielle" verkauft: Die Ost-CDU erwarb "Gartenlokal auf der Rabeninsel" und schenkte es Albert Schweizer im afrikanischen Lambaréne. Der "Rousseau von der Saale", wie Gallwitz den Maler nannte und die Akademie der Künste seiner gedenkt, war etwas ganz Besonderes. Mag seine Weltsicht naiv gewesen sein, er konnte und wollte den schlichten Umständen seines Daseins auch nicht entkommen. Hatte er doch die grandiose Gabe, ärmliche, enge Lebensumstände - die DDR-Situation überhaupt - poetisch, skurril witzig zu verklären. Und fröhlich zu ertragen.------------------------------Ebert-EhrungenDie Akademie der Künste stellt heute, 18.30 Uhr, am Robert-Koch-Platz 10 den schriftlichen Nachlass Eberts vor, den seine Witwe 2004 der AdK schenkte. Der Bildhauer Werner Stötzer erinnert an Albert Ebert. Michael Krejsa stellt das Archiv vor.Die Staatliche Galerie Moritzburg Halle/Saale zeigt bis zum 28. Mai Bilder und das druckgrafische Werk.------------------------------Foto: "Kinderfest im Kleingartenverein", Halle, 1959. Albert Ebert malte die Welt, wie er sie sich erträumte - und erfüllte sich damit Kindheitswünsche.