Zum Tode des Kunstbuchverlegers Horst Jähner: Der Mann war reine Medizin gegen den DDR-Provinzialismus

Den Spitznamen hat er gemocht: "Expressionismus-Jähner" haben ihn zu DDR-Zeiten die Künstler, die Museumsleute, die Galeristen, die Freunde der Kunst genannt. Auch die Zeitungsleute, denn sie schätzten seine kundigen, couragierten, lebhaften Artikel. Die erschienen unter anderem in der Berliner Zeitung, im Sonntag, und in der Zeitschrift Bildende Kunst.Dabei hatte der gebürtige Berliner erst spät, mit 59 Jahren an der Martin-Luther-Uni Halle und natürlich über die Expressionisten promoviert. Noch immer forderten die Kulturfunktionäre den "Sozialistischem Realismus", inzwischen zwar mit "Weite und Vielfalt", aber Teile der Künstlerschaft hatten die Entgrenzung - also den Anschluss an die Moderne - längst gesucht. In Horst Jähner hatten sie einen Förderer, denn um dieses Anknüpfen an die Moderne, die westliche wie die östliche, ist es ihm gegangen. Die bornierten Vorstellungen der Funktionäre waren ihm ein Greuel; er stritt sich bis aufs Messer für ein Buch und dessen Texte und stand in dem Ruf, reine Medizin gegen den Provinzialismus der DDR zu sein. So verdankte das kleine Land mit dem großen Anspruch diesem Kunsthistoriker Expressionismus-Kompendien, die auch auf dem internationalen Kunstbuchmarkt mehr als Achtungserfolge erzielten.Sein "Brücke"-Buch wurde in elf Sprachen übersetzt und erschien 1996 in sechster Auflage. In seinem Verlag erschien weitere gefragte Expressionisten-Literatur, dazu Bücher von Giotto bis Picasso, die Fundus-Reihe zu Kunstgeschichte, Archäologie, Architektur, auch der Nachlass des Kunsthistorikers Wilhelm Fraenger, zudem Bücher über die russische und lateinamerikanische Avantgarde. Den Kunstverlag Dresden hat der parteilose Jähner sogar zweimal geleitet: das erste Mal von 1963 bis 1987, danach wollte er eigentlich nur noch ein über moderne Kunst schreibender Rentner sein.Aber es kam anders: Der Dresdner Verlag war nach der Wende von der Gruppe Gordon and Breach Science Publishers New York-London-Montreux gekauft worden und ins Schlingern geraten. Die neuen Besitzer holten den alten Professor noch einmal an seinen Schreibtisch. Er machte den Job bis 1996; da war er 78 Jahre alt, aber noch kein bisschen müde. Darum konnte der Junius-Verlag Hamburg den Kunstbuchmacher noch bis 1999 als Berater verpflichten.Müde machte ihn erst seit wenigen Jahren die schwere Erkrankung. Am Mittwoch erfuhr unsere Redaktion durch seine Tochter Brigitte Rieger-Jähner, Direktorin des Museums Junge Kunst in Frankfurt/ Oder, vom Tod Horst Jähners; er ist bereits am 30. Dezember 88-jährig in Berlin gestorben.Die Beerdigung findet am 26. Januar, 13 Uhr auf dem Friedhof Köpenick, Rudower Straße 23, statt.------------------------------Grafik: Bei Künstlern war der Kunstbuchmacher Horst Jähner derart beliebt, dass sie ihn liebevoll-witzig zeichneten, wie etwa Harald Kretzschmar im Jahr 1979.